Verfahrensgang
AG Görlitz (Aktenzeichen 4 C 324/22) |
Tenor
Sachlich zuständig ist das Landgericht Görlitz.
Gründe
I. Der Kläger nimmt mit Klageschrift vom 31.05.2022 die Beklagte, die die Social Media Plattform xxx.com betreibt, auf Schadenersatz, Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden, Unterlassung und Auskunft in Anspruch. In seiner Klageschrift hat er den Streitwert mit 11.000,00 EUR angegeben. Bereits vor Klagezustellung setzte das Landgericht Görlitz durch Verfügung vom 20.06.2022 den vorläufigen Streitwert ohne nähere Begründung wie folgt auf "bis 5.000,00 EUR (1.000,00 EUR Schadensersatz, 500,00 EUR Feststellung, 1.000,00 EUR Unterlassung, 500,00 EUR Auskunft)" fest und stellte dem Kläger anheim einen Verweisungsantrag an das Amtsgericht Görlitz zu stellen. Mit Schriftsatz vom 27.06.2022 nahm der Kläger Stellung und regte an, den Streitwert auf 7.000,00 EUR festzusetzen. Er verwies darauf, dass Streitwerte und Unterlassungsansprüche im Bereich des Datenschutzes unterschiedlich bewertet würden und zitierte zahlreiche Entscheidungen zum Beleg einer Bemessung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs mit 4.000,00 EUR. Der Streitwert für die Auskunft sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung auf jedenfalls 1.000,00 EUR festzusetzen. Vorgelegt wurden zahlreiche gerichtliche Verfügungen zur vorläufigen Streitwertfestsetzung. Hilfsweise für den Fall, dass das Landgericht Görlitz weiterhin von einem geringeren Streitwert ausgehe, beantragte er die Verweisung an das Amtsgericht Görlitz. Ohne Anhörung des Beklagten verwies das Landgericht Görlitz den Rechtsstreit mit Beschluss vom 04.07.2022 an das Amtsgericht Görlitz. Das Amtsgericht Görlitz gab das Verfahren mit Verfügung vom 20.07.2022 zurück, denn der Verweisungsbeschluss entfalte keine Bindungswirkung, zumal er Rechtshängigkeit voraussetze, die vorliegend in Ermangelung der Zustellung der Klage noch nicht eingetreten sei. Im Übrigen sei die Abgabe ohne Anhörung des Beklagten erfolgt. Daraufhin verfügte der zuständige Richter des Landgerichts wie folgt: "Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen wird der Kläger höflich ersucht, bis 11.08.2022 die vom Amtsgericht Görlitz erbetene formlose Abgabe vor Zustellung zu beantragen". Der Kläger erwiderte mit Schriftsatz vom 02.08.2022, dass das Amtsgericht Görlitz sich für unzuständig halte, begehrte insbesondere keine Abgabe des Verfahrens, wie vom Landgericht angeregt, vor Rechtshängigkeit und legte eine Verfügung des Amtsgerichts Nürtingen vor, die in einem vergleichbaren Fall ergangen sei und einen Streitwert in Höhe von 6.000,00 EUR ins Auge fasse. Durch Verfügung vom 02.08.2022 ordnete das Landgericht Görlitz das schriftliche Vorverfahren an und wies unter Ziffer 3 der Verfügung darauf hin, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit an das Amtsgericht Görlitz zu verweisen mit Gelegenheit zur Stellungnahme von zwei Wochen. Für die Beklagte zeigte sich der nunmehrige Beklagtenvertreter an und erbat eine Fristverlängerung für die Klageerwiderung bis 22.11.2022. Ohne dies zu verbescheiden erklärte sich das Landgericht Görlitz mit Beschluss vom 26.08.2022 für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht Görlitz. Begründet ist der Beschluss wie folgt: "Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus der Höhe des Streitwerts, den das Gericht mit Verfügung vom 20.06.2022 auf bis 5.000,00 EUR festgesetzt hat.". Das Amtsgericht Görlitz erklärte sich mit Beschluss vom 02.09.2022 für unzuständig und legte das Verfahren dem Oberlandesgericht Dresden gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Zuständigkeitsbestimmung vor.
II. Die Voraussetzungen einer Bestimmung des Gerichtsstands gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
1. Das Landgericht Görlitz und das Amtsgericht Görlitz haben sich beide im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das Landgericht Görlitz hat den Rechtsstreit durch den grundsätzlich gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbaren und den Parteien bekannt gemachten Beschluss vom 26.08.2022 an das Amtsgericht Görlitz verwiesen. Das Amtsgericht Görlitz hat sich durch Beschluss vom 02.09.2022 für unzuständig erklärt und das Verfahren dem Oberlandesgericht Dresden zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.
2. Das Oberlandesgericht Dresden ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen.
3. Das Amtsgericht Görlitz ist an den Verweisungsbeschluss des Landgerichts Görlitz vom 26.08.2022 nicht gebunden.
a) Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO sind Verweisungsbeschlüsse grundsätzlich bindend, da - im Einklang mit der in § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO normierten Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen - im Interesse der Prozessökonomie das Verfahren verzögernde und verteuernde Zuständigkeitsstreitigkeiten vermieden werden sollen. Eine Bindung an den Verweisungsbeschluss ist nur ausnahmsweise zu verneinen, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung recht...