Verfahrensgang
LG Dresden (Beschluss vom 05.06.2007; Aktenzeichen 3 O 2994/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG Dresden vom 5.6.2007 (3 O 2994/05) aufgehoben.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Dem polnischen Kläger, der nach einem Verkehrsunfall in Deutschland gegen den deutschen Versicherer seines ebenfalls polnischen Unfallgegners auf Schadensersatz klagte, wurde durch Beschluss vom 23.3.2006 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Im Prozess schloss er am 9.3.2007 einen Vergleich, nach dem er bei Kostenaufhebung rund 50 % der eingeklagten Summe, nämlich 3.500 EUR, erhalten sollte. Mit Beschluss vom 5.6.2007 ordnete das LG Dresden an, dass der Kläger auf die durch ihn zu tragenden Verfahrenskosten i.H.v. 2.144,07 EUR eine Einmalzahlung, fällig am 1.7.2007, zu leisten habe. Zugunsten des Klägers seien nicht die vollen Freibeträge gem. § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 1 S. 1 Nr. 1 der Verordnung zu § 90 SGB XII einzusetzen, da die Lebenshaltungskosten in Polen erheblich niedriger lägen als in Deutschland. Die auf den Kläger entfallenden Prozesskosten betragen 2.595,19 EUR (hälftige Gerichtskosten 558,39 EUR, AS I; sowie Anwaltsvergütung gem. § 49, 50 RVG, 2.036,80 EUR, AS 23 PKH-Heft). Der Kläger unterhält eine Frau und zwei Kinder. Er erhält monatlichen Nettolohn i.H.v. umgerechnet 285 EUR sowie ca. 21 EUR Kindergeld.
Gegen diesen ihm am 14.6.2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 26.6.2007 Beschwerde eingelegt. Das LG habe ihm kein rechtliches Gehör gewährt. Das Schonvermögen sei in voller Höhe anzusetzen.
Die Einzelrichterin hat das Verfahren gem. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO auf den Senat übertragen.
II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde ist begründet.
1. Nicht zum Erfolg führt allerdings die Rüge, das LG habe vor Erlass seiner Entscheidung kein rechtliches Gehör gewährt. Dieser Mangel konnte in der Beschwerdeinstanz durch die Gewährung rechtlichen Gehörs geheilt werden (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl., vor § 128 Rz. 8a).
2. Das LG konnte die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen nicht ändern, da die Voraussetzung des § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO nicht vorliegen.
a) Die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers haben sich dadurch, dass er aufgrund des Vergleichs vom 9.3.2007 eine Zahlung von 3.500 EUR erhält, nicht wesentlich verändert. Zwar ist allgemein anerkannt, dass auch die Zahlung des Prozessgegners aufgrund des gewonnenen Prozesses ein nach der Prozesskostenhilfebewilligung erworbenes erhebliches Vermögen sein kann (vgl. Philippi in Zöller, a.a.O., § 120 Rz. 24 m. N.; OLG Karlsruhe MDR 2006, 649). Übersteigt das erworbene Vermögen deutlich die Freigrenze des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. der dazu ergangenen Durchführungsverordnung, so ist der übersteigende Betrag zur Nachzahlung der Kosten zu verwenden (OLG Celle MDR 2001, 230). Jedoch ist dem in Polen lebenden Kläger der Freibetrag nach § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1b der Verordnung zu § 90 SGB II (dazu OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1917) i.H.v. 3.368 EUR (2.600 EUR für den Kläger, insgesamt 768 EUR für Frau und Kinder) zu belassen. Dieser Freibetrag wird durch den Vergleichsbetrag nur geringfügig überschritten, so dass eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht angenommen werden kann.
b) Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin ist der Freibetrag auch in voller Höhe anzusetzen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
aa) Im Rahmen des § 115 Abs. 1 ZPO (einzusetzendes Einkommen) ist anerkannt, dass die Unterhalts- und Erwerbstätigenfreibeträge beim Vorliegen von Anhaltspunkten, die auf eine erhebliche Abweichung der Wirtschafts- und Lebensverhältnisse von Wohnsitzstaat und Bewilligungsstaat schließen lassen, anzupassen sind, weil andernfalls die uneingeschränkte Anwendung zu nicht mehr sachgerechten Ergebnissen führt (FG Niedersachsen vom 13.4.2007, - 10 S 28/06, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf MDR 1994, 301; Zimmermann, Prozesskostenhilfe, 3. Aufl. 2007, Rz. 14 und 278; Kalthoener/Büttner, Prozesskostenhilfe, 4. Aufl., Rz. 910 ff.). Wenn die Kosten der Lebenshaltung im Ausland erkennbar niedriger seien, würden sonst unangemessen hohe, tatsächlich nicht bestehende Lebenshaltungskosten berücksichtigt, die zu einer ungerechtfertigten Besserstellung dieser Antragsteller im Vergleich zu in Deutschland wohnhaften Antragstellern führe. Entsprechend habe auch das Bundesverfassungericht für die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen im Steuerrecht entschieden (BVerfG NJW 1989, 666). Es sei eine vernünftige, mit dem Gleichheitssatz vereinbare Überlegung, Beträge, die mit Bezug zu den Lebenshaltungskosten, insbesondere zum durchschnittlichen Existenzminimum in der Bundesrepublik festgelegt werden, für Leistungen an solche Personen, die in Länd...