Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 2 O 517/19) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichtes Chemnitz vom 05.06.2020 - Az.: 2 O 517/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am ...2018, gegen ... Uhr, in der Ortschaft X. ereignete.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
B. I. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 115 VVG in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe zu. Eine Mithaftung der Klägerin scheidet aus.
1. Der Verkehrsunfall vom ...2018 stellt für den Ehemann der Klägerin, den Zeugen E. E., ein unabwendbares Ereignis i.S. des § 17 Abs. 3 StVG i.V.m. § 18 Abs. 3 StVG dar, jedenfalls tritt die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges wegen des Verstoßes des Beklagten zu 1) gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO zurück (BGH, Urt. v. 22.04.1969, Az.: VI ZR 9/68, VersR 1969, 738, 739).
1.1 Der Begriff "unabwendbares Ereignis" i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG meint zwar nicht die absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein schadenstiftendes Ereignis, welches auch bei der äußerst möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über dem Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt i.S.v. § 276 BGB hinaus (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.1990, Az.: III ZR 14/90, VerkMitt 1991 Nr. 56; vgl. BGH, Urt. v. 17.03.1992, Az.: VI ZR 62/91, BGHZ 117, 337, 340; vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2005, Az.: VI ZR 115/04, SP 2005, 156, 157, jeweils zu § 7 Abs. 2 StVG a.F.; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 17 StVG Rn. 22). Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich wie ein "Idealfahrer" verhalten haben (vgl. BGH, VerkMitt 1991 Nr. 56; vgl. BGHZ 117, 337, 340; vgl. BGH, Urt. v. 05.05.1992, Az.: VI ZR 262/91, VerkMitt 1993 Nr. 23, jeweils zu § 7 Abs. 2 StVG a.F.; König, a.a.O.). Derjenige, der sich nach § 17 Abs. 3 StVG entlasten will, muss die Unabwendbarkeit des Unfalls beweisen (vgl. BGH, Urt. v. 04.05.1976, Az.: VI ZR 193/74, DAR 1976, 246 zu § 7 Abs. 2 StVG a.F.; OLG Oldenburg, Urt. v. 31.03.2012, Az.: 3 U 69/11, SP 2012, 390; König, a.a.O., § 17 StVG Rn. 23).
1.2 Nach Durchführung der Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der Vernehmung der erst- und zweitinstanzlich angehörten Zeugen sowie des in der ersten Instanz eingeholten schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. A., steht es zur Überzeugung des Gerichts mit dem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urt. v. 11.12.2012, Az.: VI ZR 314/10, NJW 2013, 790, 791 Tz. 17; BGH, Urt. v. 16.04.2013, Az.: VI ZR 44/12, NJW 2014, 71, 72 Tz. 8; BGH, Urt. v. 06.05.2015, Az.: VIII ZR 161/14, DWW 2015, 255, 256; Thomas/Seiler, ZPO, 40. Aufl., § 286 Rn. 2, jeweils m.w.N.) fest, dass der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn geriet und für den Zeugen E. E., den Fahrer des klägerischen Fahrzeuges, trotz einer geringfügigen Ausweichbewegung nach rechts der Unfall in technischer Hinsicht unvermeidbar war und damit für diesen auch ein unabwendbares Ereignis i.S. des § 17 Abs. 3 StVG darstellte.
Der Ehemann der Klägerin hat sowohl bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht als auch bei derjenigen vor dem Senat ausgesagt, er sei auf der rechten Fahrspur gefahren, als das Fahrzeug des Beklagten zu 1) ruckartig auf seine Fahrbahn gekommen sei. Er habe seinen Mitfahrern noch zugerufen, sich festzuhalten, und habe versucht, wenn auch vergeblich, auszuweichen. Dass er mit seinem Fahrzeug auf seiner Fahrspur gefahren sei, habe er aufgrund der rechten Fahrbahnbegrenzungslinie und anhand der sich in der Mitte der Fahrbahn befindlichen Asphaltkante gesehen. Zudem sei er mit einem den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten zur Unfallstelle zurückgegangen und habe gesehen, dass die Splitter mittig, aber mehr auf der rechten Fahrbahnspur gelegen hätten. Damit hat der Zeuge den schriftlichen Vortrag der Klägerin und auch deren Angaben bei der Anhörung vor dem Landgericht und dem Senat bestätigt. Die Zeugin H. E., die Schwiegermutter der Klägerin, hat bei ihrer Vernehmung vor dem Senat ausgesagt, ihr Sohn, das heißt der Zeuge E. E., habe plötzlich gesagt, sie sollten sich festhalten und dann habe es schon geknallt. Das Fahrzeug des Unfallgegners habe sie vorher nicht mitbekommen.
Dementgegen hat die Zeugin C. S., die Ehefrau des Beklagten zu 1), ausgesagt, es habe einen Schlag gegeben, weil sich die Spiegel der Fahrzeuge berührt hätten. Vor dem Schlag sei ihr ni...