Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anscheinsbeweis zugunsten des Patienten, eine nach der Operation aufgetretene Nervenläsion sei auf einen Behandlungsfehler bei einer operativen Vorsorgung der distalen Spiralfraktur zurückzuführen, kommt nicht in Betracht, da es bei einer Nervverletzung von vornherein an der erforderlichen Typizität eines nach der Lebenserfahrung auf einen Fehler hinweisenden Geschehens fehlt.
2. Auch eine Umkehr der Beweislast für den Kausalverlauf kommt vorliegend nicht in Betracht.
3. Die operative Versorgung der distalen Spiralfraktur ist insbesondere dann indiziert, wenn der Patient nach dem Aufstützen auf die Trage im Rahmen des Umbettens über eine Parese des Nervus radialis klagt. Bei der operativen Versorgung dieser Fraktur kommen als gleichwertige Operationsmethoden sowohl die geschlossene Reposition mittels Verriegelungsnagel aus auch die Plattenostesynthese in Betracht.
4. In diesem Fall ist der Patient über die bestehenden Behandlungsalternativen aufzuklären.
Normenkette
BGB §§ 611, 823
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 01.02.2010; Aktenzeichen 4 O 2366/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin zu 1. gegen das Urteil des LG Chemnitz vom 1.2.2010 - 4 O 2366/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen:
2. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 6.637,57 EUR.
Gründe
I. Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO abgesehen.
II. Die auf die Verurteilung zur Zahlung von Schadenersatz beschränkte Berufung der Klägerin zu 1) ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus § 280 BGB, § 116 SGB X oder aus §§ 823, 831 BGB, § 116 SGB X nicht zu. Die Klägerin hat auch im Anschluss an die ergänzende Beweisaufnahme durch den Senat weder einen Behandlungsfehler noch einen Aufklärungsfehler der bei der Beklagten beschäftigten Ärzte bewiesen.
1. Den im Klinikum der Beklagten beschäftigten Ärzten kann weder anlässlich der Operation noch postoperativ ein Behandlungsfehler vorgeworfen werden. Zwar ist sowohl nach Einschätzung des Sachverständigen Prof. ..., der sich das LG angeschlossen hat, als auch nach dem MDK-Gutachter Dr. ..., auf den sich die Klägerin stützt (K 2, K 6, K 7, K 47), davon auszugehen, dass die Nervenläsion, an deren Folgen der Patient noch heute leidet, noch nicht bei dessen Einlieferung bestand, sondern erst im Verlauf der Behandlung im Klinikum der Beklagten, entweder durch das Abstützen auf der Liege oder im Rahmen der Operation vom 26.11.2002 eintrat. Allein daraus kann jedoch noch nicht der Schluss gezogen werden, dass diese Nervenverletzung, die bei der Revisionsoperation am 21.3.2003 im ... Klinikum ... festgestellt wurde, auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen ist.
Ein Anscheinsbeweis kommt der Klägerin hierfür nicht zu Gute, da es bei Nervverletzungen von vornherein an der erforderlichen Typizität eines nach der Lebenserfahrung auf einen Fehler hinweisenden Geschehens fehlt (vgl. OLG Stuttgart MedR 1999, 320).
Auch eine Umkehr der Beweislast für den Kausalverlauf kommt im Anschluss an die Gutachten des Sachverständigen Prof. ... und dessen ergänzende Anhörung durch das LG und den Senat nicht in Betracht. Unstreitig war die operative Versorgung der distalen Spiralfraktur, die sich der Patient ... am 26.11.2002 zuzog, indiziert. Eine derartige Operationsindikation bestand vor allem im Hinblick darauf, dass der Patient nach dem Aufstützen auf die Trage im Rahmen des Umbettens über eine "Fallhand", d.h. eine Parese des Nervus radialis, klagte. Bei der operativen Versorgung dieser Fraktur kamen nach Einschätzung des Sachverständigen Prof. ... sowohl die hier gewählte geschlossene Reposition mittels Verriegelungsnagel als auch die Plattenosteosynthese als gleichwertige Behandlungsmethoden in Betracht.
Der Sachverständige hat sowohl in seinem Ergänzungsgutachten vom 6.8.2009 als auch in der mündlichen Anhörung vor dem LG am 9.12.2009 ausgeführt, die geschlossene Verriegelungsnagelosteosynthese einer Oberarmschaftfraktur stehe neben der Plattenosteosynthese und der konservativen Therapie - die hier nicht in Betracht zu ziehen war - als gleichwertiges Standardverfahren zur Verfügung. In der mündlichen Anhörung vor dem LG vom 9.12.2009 hat er die geschlossene Reposition ausdrücklich sogar als bessere Methode bezeichnet, auch wenn er nach wie vor auch die Plattenosteosynthese als Standardverfahren ansieht. Entsprechend hat er sich auch in der Anhörung vor dem Senat geäußert.
Den bei der Beklagten beschäftigten Ärzten kann auch nicht vorgeworfen werden, den Patienten, bei dem ausweislich der zu den Behandlungsunterlagen gelangten Aktennotiz vom 18.12.2002 eine Alkoholfahne bemerkt worden war, ungenügend gesichert und vor einem Abstützen auf den verletzten Arm bewahrt zu haben. Ein Krankenhaus übernimmt zwar mit der stationären Aufnahme eines Patienten nicht nur die Aufgabe der einwandfreien Diagnose und Ther...