Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 1 O 455/18 (2)) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Görlitz vom 13.09.2019 - 1 O 455/18 (2) - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.432,20 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.03.2019 Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs VW Touran Highline 2,0 TDI, Fahrzeugidentifizierungsnummer XXX, zu zahlen.
I. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 55 % und die Beklagte 45 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert im Berufungsverfahren wird auf 34.950,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Erstattung des Kaufpreises für ein vom sog. "Diesel-Abgasskandal" betroffenes Fahrzeug.
Der Kläger kaufte am 13.08.2012 bei dem Autohaus H...... & S...... GmbH das Fahrzeug VW Touran Highline 2,0 TDI zum Preis von 34.950,00 EUR. Der Neuwagen mit der Fahrzeugidentifzierungsnummer XXX wurde ihm am 11.10.2012 übergeben, der Kaufpreis wurde bezahlt. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 11.02.2020 betrug die Laufleistung des Fahrzeuges 111.000 Kilometer.
Das Fahrzeug verfügt über einen von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 EU 5. Die Motorsteuerungssoftware erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand betrieben wird oder sich im realen Fahrbetrieb befindet. Die ursprünglich installierte Software kannte zwei Betriebsmodi, nach denen die Abgasrückführungsrate gesteuert wurde. Der Modus 1 war nur aktiv, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfuhr. In anderen Fahrsituationen, also bei der Nutzung im Straßenverkehr, war der Modus 0 aktiv. Dieser wies eine gegenüber dem Modus 1 niedrigere Abgasrückführungsrate auf. Die Abgasrückführung bewirkt durch Absenkung der Verbrennungstemperatur einen geringeren Ausstoß von Stickoxiden. Wird eine niedrigere Menge an Abgas zurückgeführt, erhöht sich die Verbrennungstemperatur, und die Abgase enthalten eine höhere Menge an Stickoxiden. Durch das von der Beklagten angebotene und am Fahrzeug des Klägers durchgeführte Software-Update wurde diese Umschaltlogik beseitigt, d.h. die Abgasrückführung wird im normalen Fahrbetrieb nach demselben Modus geregelt wie auf dem Prüfstand.
Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 08.08.2017, der der Beklagten am 16.08.2017 zugestellt wurde, ein selbständiges Beweisverfahren bezüglich des streitgegenständlichen Fahrzeugs eingeleitet. Das Landgericht erließ einen Beweisbeschluss. Nachdem der Sachverständige mit Schreiben vom 04.12.2018 dem Landgericht mitgeteilt hatte, dass die Beweiserhebung erhebliche Kosten verursachen werde, hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessvertreters vom 27.12.2018 den Antrag auf Durchführung des Beweisverfahrens zurückgenommen und die vorliegende Klage eingereicht.
Der Kläger hat behauptet, er hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug bereits im Herstellungsprozess manipuliert worden war.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe weder aus Vertrauens- bzw. Garantiehaftung im Hinblick auf die EG-Übereinstimmungsbescheinigung noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, §§ 6, 27 EG-FGV oder § 16 Abs. 2 UWG ein Schadensersatzanspruch zu. Auch ein Anspruch aus § 826 BGB sei nicht gegeben. Letzterer scheide aus, weil die Verordnung (EG) 717/2007, gegen die die Beklagte mit der Verwendung der Software verstoßen habe, nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen diene. Das Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung rechtfertige nur dann den Vorwurf eines Sittenverstoßes, wenn eine Offenbarungspflicht bestehe. Eine solche bestehe hier nicht, weil im Vertragsrecht zunächst jedes Privatsubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich sei. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren sei auch im Rahmen von § 826 BGB erst dann überschritten, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufabschluss gehe. Dies treffe auf die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er bringt u. a. vor, das Landgericht hätte, zutreffend ausgehend von einer unzulässigen Abschalteinrichtung, folgerichtig feststellen müssen, dass die gewöhnliche Verwendungsmöglichkeit und damit Gebrauchstauglichkeit nicht vorhanden gewesen sei. Denn er habe...