Leitsatz (amtlich)
1. Fehlt in einem Beitragserhöhungsschreiben in der Privaten Krankenversicherung die Angabe, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, ist die Erhöhung formell unwirksam.
2. Wird die erforderliche Begründung später nachgeholt, wird hierdurch die für die Neufestsetzung angeordnete Frist in Lauf gesetzt.
3. Es reicht aus, wenn sich die erforderlichen Angaben aus einer Zusammenschau der übersandten Unterlagen ergeben; es ist nicht erforderlich, dass diese im Erhöhungsschreiben selbst enthalten sind.
4. Mit Erhalt des jeweiligen Anpassungsschreibens ist auch dann die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis gegeben, wenn der Versicherungsnehmer in Unkenntnis über die Rechtslage ist.
5. Trägt die Partei nicht vor, ihrem Rechtsanwalt zunächst nur einen bedingten Klageauftrag erteilt zu haben, kommt die Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten nicht in Betracht.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2536/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 27.07.2021 - 3 O 2536/20 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen in Ziffern 2. und 3. aufgehoben und in Ziffer 1. wie folgt abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrages in der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Kranken-/Pflegeversicherung, Versicherungsscheinnummer 0000000000, nicht wirksam geworden sind:
Im Tarif E... die Erhöhung zum 01.01.2014 bis zum 31.12.2016 um 44,51 EUR und zum 01.01.2015 bis zum 31.12.2016 um 16,27 EUR.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf bis zu 8.500,00 EUR festgesetzt und der Streitwert des Berufungsverfahrens auf bis zu 3.500,00 EUR.
Gründe
I. Von der Aufnahme des Tatbestandes wird gemäß §§ 540, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat zum überwiegenden Teil Erfolg.
A Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit einer Klage für den auf die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung gerichteten Feststellungsantrags bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 - V ZR 294/19 - juris). Denn allein mit dem vom Kläger erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überbezahlter Beiträge wird nicht rechtskräftig festgestellt, dass er zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist (so BGH, a.a.O.). Ein schutzwürdiges Interesse kann auch an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses bestehen, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben können (so BGH a.a.O., Rn. 19).
Da die Beklagte in der Berufung die Beitragserhöhungen zum 01.01.2014 und 01.01.2015 nicht angegriffen hat, kann dahinstehen, ob auch insoweit ein Feststellungsinteresse vorliegt, obwohl die Zahlungsansprüche, die bis zum 31.12.2016 fällig geworden sind, verjährt sind und auch für die Zukunft wegen der unstreitigen Wirksamkeit der Beitragsanpassung zum 01.01.2017 sich keine Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben.
B 1. Dem Kläger stehen keine Zahlungsansprüche gegen die Beklagte zu.
a) Die Ansprüche auf Rückzahlung der Beiträge, die bis zum 31.12.2016 fällig geworden sind, sind verjährt, §§ 195, 199 BGB und die unstreitig wirksame Erhöhung zum 01.01.2017 bildet ab diesem Zeitpunkt die Rechtsgrundlage für den künftigen Prämienanspruch.
Nach § 199 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Der Rückzahlungsanspruch entsteht mit der monatlichen Prämienzahlung, weil mit der Zahlung einer überhöhten Prämie der Rückforderungsanspruch fällig wird (vgl. OLG Köln, Urteil vom 07.09.2021 - 9 U 199/20 - juris). Die Verjährungsfrist begann am Ende des Jahres 2016 und war zum 31.12.2019 abgelaufen. Die am 18.09.2020 erhobene Klage konnte den Lauf der Verjährungsfrist nicht hemmen.
Die erforderliche Kenntnis des Klägers lag mit Erhalt der jeweiligen Anpassungsschreiben aus November der Vorjahre hinsichtlich der formellen Voraussetzungen der Mitteilung über die Beitragserhebung vor (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021 - IV ZR 113/20, Rz. 42 - juris; Senat, Urteil vom 17.12.2021 - 4 U 1693/91 - juris; OLG Dresden, Urteil vom 12.10.2021 - 6 U 751/21; OLG Köln, Urteil vom 22.09.2020 - 9 U 237/19). Ab diesem Zeitpunkt, d. h. jeweils im November 2013 und 2014 hatte der Kläger eine ausreichende Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, die für die Erhöhung der Folgejahre maßgeblich waren. Aus den Anpassungsschreiben konnte er entnehmen, in welchem Umfang die Beklagte ihre jeweiligen Beitragserhöhungen beg...