Leitsatz (amtlich)
Die Veröffentlichung von bei einer internen Polizei-Abschlussfeier erstellten Bildnissen, die die dargestellten Personen in einer erkennbar sexualisierten Kontext stellen, kann auch dann die Zuerkennung einer Geldentschädigung rechtfertigen, wenn das zugrunde liegende Ereignis zur Sozialsphäre gehört.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 3 O 784/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 6.10.2020 in Ziff. 1 teilweise abgeändert. Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin eine Geldentschädigung in Höhe von 2500,- EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 14.6.2019 zu zahlen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu *, die Beklagte zu 1/4. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 5000,- EUR.
Gründe
I. Von der Aufnahme des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540, 313a Abs. 1 ZPO).
II. Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf eine Geldentschädigung aus Art. 2 Abs. 1, 1 GG wegen der Veröffentlichung ihres Bildnisses in dem Artikel "Die frechen Polizei-Schülerinnen und das Huren-Lied" lediglich in Höhe von 2500,- EUR zu. Die weitergehende Berufung der Beklagten war zurückzuweisen.
1. Entgegen der Auffassung der Berufung war die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildnisses der Klägerin nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG unzulässig. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit ihrer Einwilligung verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG), die hier unstreitig nicht eingeholt wurde. Hiervon besteht gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt.
Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, 10 EMRK andererseits vorzunehmen (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 19. 6. 2007 - VI ZR 12/06). Demgegenüber ist es für die Zulässigkeit der Bildberichterstattung grundsätzlich ohne Belang, ob der Betroffene einen berechtigten Anlass für die Verbreitung seines Bildnisses gegeben hat, weil es den Medien grundsätzlich freisteht, im Rahmen einer zulässigen Berichterstattung Textberichte auch durch Bilder zu illustrieren (BGH, Urteil vom 9.4.2019, VI ZR 533/16 - juris; v. Pentz, AfP 2020, 93ff. (104)). Nach allgemeiner Auffassung ist der Begriff des Zeitgeschehens maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt; dieser darf nicht zu eng verstanden werden und umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist, wobei sogar unterhaltende Beiträge davon nicht ausgenommen sind (vgl. BVerfGE 101, 361 [389 ff].; BGH, Urteil vom 24. 6. 2008 - VI ZR 156/06 - juris). Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen, wobei die Belange der Medien in einen möglichst schonenden Ausgleich zum Persönlichkeitsschutz des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen sind, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre (vgl. BGH, Urteile vom 19. 12. 1995 - VI ZR 15/95 und vom 9. 12. 2003 - VI ZR 373/02 - jeweils juris), der in Form der Gewährleistung des Rechts am eigenen Bild sowie der Garantie der Privatsphäre teilweise auch verfassungsrechtlich fundiert ist (vgl. BVerfGE 101, 361 [381 ff). Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser oder ...