Leitsatz (amtlich)

1. Die für eine Geldentschädigung anzusetzende Mindestuntergrenze beträgt regelmäßig 2.500,00 EUR.

2. Die bloß abstrakte Möglichkeit, dass es in der Zukunft aufgrund einer Internetveröffentlichung zu einer Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten kommen kann, reicht für die Zubilligung einer Geldentschädigung nicht aus.

3. Die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt im Sinne des § 5 SächsPresseG kann im Einzelfall auch bei der ungeprüften Übernahme von Informationen aus dem Internetauftritt eines Dritten gewahrt sein.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 17.07.2017; Aktenzeichen 1a O 829/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 17.7.2017 abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, dies zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, ohne Zustimmung des Klägers dessen Bildnis im Internet öffentlich zur Schau zu stellen, wenn dies geschieht wie auf der Internetseite www.blickamabend.ch vom 16.6.2015 geschehen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für dessen immaterielle Schäden eine Geldentschädigung in Höhe von 2500,- EUR zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 863,23 EUR zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Antrags zu 1) jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,- EUR.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 10.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. (abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO)

II. Die zulässige Berufung des Klägers ist zum überwiegenden Teil begründet. Der Kläger kann Unterlassung der Veröffentlichung seines nicht anonymisierten Bildnisses verlangen, §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, 22, 23 Nr. 1 KUG. Einen Anspruch auf eine Geldentschädigung hat er in Höhe von 2500,- EUR. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten hat ihm die Beklagte aus einem Streitwert von 10.000,- EUR zu erstatten (vgl. hierzu III.2). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat in vollem Umfang Bezug auf seinen Beschluss vom 28.9.2017.

Im Ergebnis der nochmaligen Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalles (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 03. Mai 2012 - 4 U 1883/11 -, Rn. 21, juris) und der Anhörung der Eltern im Verhandlungstermin vom 6.2.2018 stellt der Abdruck des nichtanonymisierten Bildnisses in Verbindung mit dem Begleittext eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Klägers dar, die nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann.

Nicht gerechtfertigt ist es jedoch, die für eine Geldentschädigung maßgebliche Mindestuntergrenze, die der Senat nunmehr bei 2500,- EUR ansetzt (Urteil vom 30.1.2018 - 4 U 1110/17), zu überschreiten: Zwar ist bei einer Internetveröffentlichung auch für die Höhe der Geldentschädigung zu berücksichtigen, dass diese jedenfalls für gewisse Zeit weiter zugänglich bleiben kann, weil sie in der Zwischenzeit von Dritten kopiert und auf einer neuen Webseite eingestellt oder von Bloggern zum Gegenstand eines eigenen Beitrags gemacht wurde (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 -, BGHZ 199, 237-270, Rn. 43); vorliegend bestehen indes keine Anhaltspunkte dafür, dass dies hier nach der Löschung des Beitrages von der Homepage der Beklagten tatsächlich noch der Fall ist. Dass die Berichterstattung einer s... Online-Zeitung vom Umfeld des in D... lebenden Klägers zur Kenntnis genommen wird und dadurch zu einer gravierenden Verletzung seines Persönlichkeitsrechts führt, versteht sich ebenfalls nicht von selbst. Vor diesem Hintergrund wäre es Aufgabe des Klägers bzw. seiner Eltern gewesen, zu Ausmaß der Verbreitung des Beitrages und zu den Auswirkungen auf sein Persönlichkeitsrecht oder seine Persönlichkeitsentwicklung näher vorzutragen. Den entsprechenden Hinweis des Senats hat der Kläger indes nicht dazu genutzt, seinen Vortrag zu ergänzen oder hierzu Beweis anzutreten. Die Anhörung seiner Eltern hat ebenfalls nicht ergeben, dass der Kläger durch die Berichterstattung in seiner Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt worden wäre oder dass eine solche Beeinträchtigung konkret zu befürchten wäre. Die abstrakte Möglichkeit, dass es hierzu in der Zukunft noch kommen wird, rechtfertigt für sich genommen eine höhere Geldentschädigung nicht. Durch die zeitgleich oder zuvor erfolgte Berichterstattung anderer Medien (vgl. Anlage K 1) über den vermeintlichen Namen des Klägers und die hieran anknüpfende Diskussion in sozialen Netzwerken wird die von der Berichterstattung der Beklagten ausgehende Beeinträchtigung zudem weiter abgemildert (vgl. zur Minderung des Informationsinteresses durch Vorveröffentlichungen: BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 -, BGHZ 199, 237-270, Rn....

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