Leitsatz (amtlich)

1. Bei S-Prämiensparverträgen ist eine von der Sparkasse gestellt Vertragsklausel, die die Ausgestaltung der - als solche wirksam vereinbarten - variablen Verzinsung der Sparkasse durch Aushang überlässt, unwirksam, da sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (Anschluss an BGH, Urteile vom 17.02.2004 - XI ZR 140/03 -, BGHZ 158, 149-159, vom 13.04.2010 - XI ZR 197/09 -, BGHZ 185, 166-178, vom 21.12.2010 - XI ZR 52/08 -, und vom 06.10.2021 - XI ZR 234/20 -, BGHZ 231, 215-263).

2. Zur Schließung der dadurch entstandenen Vertragslücke in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität in einem Einzelfall.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 9 O 2203/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 24.09.2020 (9 O 2203/19) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger brutto 6.209,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.08.2019 zu zahlen.

2. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 11/25 und die Beklagte 14/25.

4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der beklagten Sparkasse die Zahlung eines weiteren Betrages i.H.v. 10.987,93 EUR aus einem beendeten Sparvertrag über ein sog. "S-Prämiensparen flexibel".

Der Kläger schloss am 15.04.1994 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten - der Stadtsparkasse ... - einen mit "S-Prämiensparen flexibel" bezeichneten Vertrag mit der Konto-Nr. 0000000000, ursprünglich Sparkonto Nr. 000000000 (Anlage K 1). Die vom Kläger aufzubringende monatliche Sparrate betrug 300,00 DM (entspricht 153,39 EUR) und wurde erstmals zum 15.04.1994 geleistet. Zusätzlich leistete er zum Vertragsbeginn eine einmalige Zahlung i.H.v. 300,00 DM. Der Vertrag sah vom 15.04.1994 bis zum Vertragsende folgende Konditionen vor:

"Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit 4,75 % verzinst.

Daneben zahlt die Sparkasse am Ende eines Kalenderjahres eine verzinsliche S-Prämie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die vertragsgemäß geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres.

Die Prämie beträgt nach dem

3. Sparjahr

3,00%

4. Sparjahr

4,00%

5. Sparjahr

6,00%

6. Sparjahr

8,00%

7. Sparjahr

10,00%

8. Sparjahr

15,00%

9. Sparjahr

20,00%

10. Sparjahr

25,00%

11. Sparjahr

30,00%

12. Sparjahr

35,00%

13. Sparjahr

40,00%

14. Sparjahr

45,00%

15. Sparjahr

50,00%

Der erteilte Freistellungsauftrag gilt für dieses Konto.

Im Übrigen gelten die Rechtsvorschriften für den Sparverkehr. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß neben unseren derzeit geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sowie den Bedingungen für den Sparverkehr ergänzend Sonderbedingungen für den Sparverkehr Vertragsbestandteil sind. Die AGB, die Bedingungen für den Sparverkehr, die Sonderbedingungen für den Sparverkehr und die Bedingungen für das Dauerauftragsverfahren hängen/liegen in den Kassenräumen der Sparkasse aus."

Während der Vertragslaufzeit senkte die Beklagte den variablen Zinssatz von anfänglich 4,75 % sukzessive ab. Das Ergebnis der kalenderjährlichen Zinsberechnung der Beklagten lässt sich den Jahreskontoauszügen als Gesamtbetrag entnehmen. Nicht entnehmen lässt sich den Jahreskontoauszügen, welche Zinssätze sie im Laufe des jeweiligen Kalenderjahres zugrunde gelegt hat.

Der Vertrag wurde vom Kläger gekündigt und zum 11.03.2016 aufgelöst. Die Beklagte schrieb ihm einen Gesamtbetrag i.H.v. 54.587,72 EUR gut (vgl. Jahreskontoauszug 2016, Anlage K2). Er setzt sich zusammen aus den Gesamtbeträgen der vom Kläger eingezahlten Raten i.H.v. 40.489,69 EUR, dem der Zinsgutschriften i.H.v. 5.805,15 EUR, dem der Prämiengutschriften i.H.v. 10.876,81 EUR abzüglich abgeführter Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge i.H.v. 2.595,70 EUR (vgl. Anlage BK1).

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 07.08.2019 (Anlage K5) unter Setzung einer 14-tägigen Frist vergeblich zur Nachberechnung von Zinsen und Zahlung eines weiteren Betrages i.H.v. 10.987,93 EUR auf. Der Forderungsbetrag ergibt sich aus der von der H... & F... - Kreditsachverständige - GbR vorgenommenen Berechnung (Anlage K4), die als Referenzzins die Zinsreihe für Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Hypothekenpfandbriefe mit 10 Jahre gleitendem Durchschnitt und einen relativen Zinsabstand zugrunde legte. Die Beklagte lehnte die Forderung mit Schreiben vom 20.08.2019 unter Hinweis darauf ab, dass sie die durch die unwirksame Formulierung im Vertrag entstandene Lücke im Jahr 2010 durch eine in ihren Sonderbedingungen für den Sparverkehr enthaltene Klausel geschlossen habe. Danach richte sich die Zinsanpassung nach einer Veränderung des Referenzzinssatzes. Referenzzinssatz sei der zum Ultimo Februar / Mai / August / November ermittelte gewichtete und auf zwei Nachkommast...

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