Leitsatz (amtlich)

1. Die Aussetzung eines Verfahrens nach § 613 Abs. 2 ZPO hat nur zu erfolgen, wenn eine der Parteien das Gericht über die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage unterrichtet; es findet insoweit keine Amtsermittlung statt.

2. Zur Vereinbarung eines Sparvertrages mit einer Laufzeit von 99 Jahren (1.188 Monaten) durch Allgemeine Geschäftsbedingungen.

3. Die Vereinbarung eines Anfangszinses von 0,3% bei gleichzeitiger Bestimmung einer Mindestverzinsung von 0,5% in einen langfristigen Sparvertrag mit Zinsanpassungsklauseln ist nicht widersprüchlich.

4. Der Lauf der Verjährung für einen Anspruch auf Gutschrift von Zinsen beginnt auch hinsichtlich zu gering festgeschriebener und in Kapital umgewandelter Zinsen erst mit dem Ende des Sparvertrages (Anschluss an BGHZ 151,47, OLG Frankfurt, NJWW 1998, 997 und OLG Köln, Urteil vom 16. Januar 2008, 13 U 27/06, Rn. 24 bei juris).

 

Verfahrensgang

LG Zwickau (Aktenzeichen 4 O 148/18)

 

Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen das Urteil wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 23. März 2021 (XI ZR 250/20) verworfen.

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Zwickau vom 31.01.2019, 4 O 148/18, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien bestehende Prämiensparvertrag Nr. xxxxxxxxxx durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 17.07.2017 nicht zum 31.10.2017 beendet worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass sich der zwischen den Parteien abgeschlossene Prämiensparvertrag Nr. xxxxxxxxxx von der Beklagten durch ordentliche Kündigung nicht vor dem 31.03.2096 beendet werden kann.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte ab dem 15.11.2017 mit der Empfangnahme der monatlichen Sparbeiträge von 255,65 EUR für den zwischen den Parteien bestehenden Sparvertrag xxxxxxxxxx in Verzug befindet.

4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Prämiensparvertrag Nr. xxxxxxxxxx mit Wirkung zum 31.12.2019 einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 3.596,32 EUR als Guthaben der Klägerin zuzuschreiben.

5. Soweit die Klageanträge im Übrigen nicht bereits mit Zwischenurteil vom 21.11.2019 als unzulässig abgewiesen worden sind, wird die Klage im Übrigen als unbegründet abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat die Beklagte zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.500,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 6.500,00 EUR leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 16.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein von ihr und ihrem Ehemann am 01.04.1997 mit der Beklagten abgeschlossener Prämiensparvertrag, der am 21.06.2012 nach dem Ableben ihres Ehemannes auf sie umgeschrieben worden ist, durch Kündigungserklärung der Beklagten vom 17.07.2017 nicht beendet worden sei und dass die Beklagte nicht berechtigt sei, vor Ablauf einer Laufzeit - ab April 1997 gerechnet - von 99 Jahren, hilfsweise 32 Jahren, hilfsweise 25 Jahren ordentlich zu kündigen. Sie begehrt ferner die Feststellung, dass sich die Beklagte mit den monatlichen Einziehungen von Sparbeiträgen in Verzug befinde. Erstinstanzlich hat die Klägerin darüber hinaus eine Verurteilung der Beklagten dahin angestrebt, die Klägerin solle das jeweilige Guthaben des Prämiensparvertrages ab dem 01.07.2012 mit mindestens 0,5 % p.a. verzinsen und ihr die Differenz zwischen tatsächlich erfolgter niedrigerer Verzinsung und dieser Mindestverzinsung auszahlen. In zweiter Instanz begehrt die Klägerin stattdessen, die Zinsen seit Vertragsbeginn neu abzurechnen, wobei ab dem 01.07.2012 von mindestens 0,5 % p.a. Zinsen auszugehen sei und die Differenz aus dieser Abrechnung und der bislang tatsächlich erfolgten Verzinsung an die Klägerin zu zahlen, hilfsweise ihrem Sparbuch gutzuschreiben sei.

Die Klägerin und ihr Ehemann haben am 01.04.1997 mit der beklagten Sparkasse die Eröffnung eines Sparkontos und den Abschluss eines Sparvertrages "S-Prämiensparen-flexibel" vereinbart (Anlage K1 = Anlage B5). Der Vertrag beinhaltete das Recht, nach dem Tod eines Ehegatten den Vertrag auf den anderen Ehegatten umschreiben zu lassen. Monatliche Einzahlungen sollten als Dauerauftrag in Höhe von 1.500,00 DM erfolgen. Die Spareinlage sollte flexibel, zunächst mit 3,5 % verzinst werden. Am Ende eines jeden Kalenderjahres hatte die Beklagte eine verzinsliche Prämie nach Maßgabe einer Prämienstaffel zahlen, wobei die Prämienstaffel die Prämien ab dem dritten Jahr (3 %) bis zum 15. Jahr (50 %) ausgewiesen hat. Ergänzend sollten die AGB der Beklagten, die Bedingungen für den Sparverkehr sowie die Sonderbedingungen für den Sparverkehr gelten. Daneben überreichte die Beklagte der Klägerin einen Ausdruck der "Sonderbedingungen für das ...

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