Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer fehlerhaften Widerspruchsbelehrung zu einem fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrag ist das Widerspruchsrecht nur unter besonders gravierenden Umständen verwirkt. Dass innerhalb eines Jahres nach Abschluss des ersten Vertrages noch ein weiterer Vertrag abgeschlossen wird, begründet solche Umstände ebenso wenig wie eine temporäre Beitragsfreistellung, der Verzicht auf weitere Dynamisierungen oder eine vorzeitige Teilauszahlung der Versicherungsleistung.
2. Ausschüttungen und kick-backs, die vom Versicherer zum weiteren Erwerb von Fondsanteilen verwendet werden, sind für die Berechnung des herauszugebenden Nutzungsersatzes als Bestandteile des Sparbeitrags zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1789/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Dresden vom 11.12.2020 - Az.: 8 O 1789/19 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 48.533,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2019 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen der Kläger 1/10 und die Beklagte 9/10.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 52.364,20 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zweier fondsgebundener Rentenverträge und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Der erste Vertrag wurde am 27.10.2004 mit Wirkung zum 01.12.2004 mit einer beabsichtigten Beitragsdauer von 32 Jahren und Versicherungsdauer von 67 Jahren bei monatlichen Zahlungen in Höhe von 150,00 EUR beantragt und entsprechend policiert (Versicherungsnummer ATS/037/511/K1 - im Folgenden: Vertrag 511). Der zweite Vertrag mit Versicherungsbeginn zum 01.01.2006 wurde am 02.11.2005 mit einer auf 31 Jahre festgelegten Beitragsdauer, auf 66 Jahre festgelegten Versicherungsdauer und einem Monatsbeitrag von 50,00 EUR beantragt und policiert (Versicherungsnummer ATS/06/308 - im Folgenden: Vertrag 308 - Anlage K2).
Der Kläger hat mehrfach, nämlich in den Jahren 2005 und 2006, 2008, 2010, 2012, 2015 und 2017 Widersprüche gegen die planmäßige Erhöhung seiner Beiträge (Anlage BLD 8) eingelegt. Im Jahr 2018 ließ er hinsichtlich beider Verträge die zuvor vereinbarte Beitragsdynamik stoppen. Zugleich beantragte er ab Dezember 2018 eine zwölfmonatige Beitragspause für den Vertrag 511, gefolgt von einer Beitragsfreistellung hinsichtlich des Vertrages 308 für das Jahr 2019. Im Rahmen dieses Vertrages erwirkte er im Jahre 2014 eine Teilauszahlung in Höhe von 5.247,46 EUR.
Kurz nach der beantragten Beitragsfreistellung für den Vertrag 308 hat er am 14.01.2019 den Widerspruch zu beiden Verträgen erklärt (Anlage K5). Er ist der Auffassung, die ihm von der Beklagten vor Vertragsabschluss überlassenen Verbraucherinformationen seien unvollständig, was zur Folge habe, dass seine Verträge nach dem sog. Policenmodell zustande gekommen seien. Insoweit fehle es aber an einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung und zwar sowohl inhaltlich als auch unter dem Gesichtspunkt nicht hinreichender drucktechnischer Hervorhebung.
Das Landgericht hat die geltend gemachten Zahlungsansprüche des Klägers wegen Verwirkung für unbegründet erachtet, den auf Feststellung gerichteten Antrag des Klägers, dass der Beklagten keine Ansprüche gegen ihn aus den Verträgen zustünden aber zugesprochen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Während die Beklagte die Feststellung gegen sich gelten lässt, verfolgt der Kläger mit der Berufung seine zuletzt erstinstanzlich gestellten Anträge vollumfänglich weiter. Er greift die Feststellungen des Landgerichts zur Verwirkung an und rügt, es handele sich insoweit um ein Überraschungsurteil, weil das Landgericht zuvor nicht auf die von ihm für die Verwirkung bedeutsam erachteten Aspekte hingewiesen habe.
Er beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 52.364,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Teilbetrag von 51.653,16 EUR seit dem 17.01.2019, im Übrigen seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 150,00 EUR, an die J...... Services Gesellschaft für Rechtsschutz-Schadensregulierung mbH, Postfach xxxxxx, E...... xx-xx, 00000 K......, vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.101,48 EUR, jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen B...