Leitsatz (amtlich)
Abschleppen eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs: Standgebühren für die Verwahrung des abgeschleppten Fahrzeugs auf dem Gelände des Abschleppunternehmens, der daran ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, gehören nicht zu adäquat durch die Besitzstörung verursachten Schaden des Grundstückbesitzers. Die Kosten für eine sichere Verwahrung des abgeschleppten Fahrzeugs können jedoch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu erstatten sein, solange kein entgegenstehender Wolle des Fahrzeugeigentümers erkennbar ist.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 3 O 2470/21) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 11.01.2022 - 3 O 2470/21 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 464,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.03.2021 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten der ersten Instanz, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin, hat der Kläger 15 % zu tragen. Die Streithelferin hat die ihr erstinstanzlich entstandenen Kosten zu 85 % selbst zu tragen. Die übrigen Kosten erster Instanz haben die Beklagten zu tragen.
Die Streithelferin trägt die ihr im Berufungsverfahren entstandenen Kosten selbst. Von den übrigen Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 8 % zu tragen und die Beklagten 92 %.
IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Vollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der/die vollstreckende Verfahrensbeteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf bis zu 6.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien streiten (zuletzt nur noch) um die im Zusammenhang mit einem Abschleppvorgang entstandenen Kosten.
Am 06.10.2020 stellte E... M... K..., den PKW Volvo V 70, amtliches Kennzeichen ..., Fahrgestellnummer ..., im Innenhof des privaten Gebäudekomplexes G... Straße x-x/ H...straße x-x (sog. "C...-Hof") in D... ab. Der Wagen war ihr zum Gebrauch vom Kläger überlassen worden, welcher - mittlerweile unstreitig - Halter und Eigentümer des Wagens ist. An der Hofeinfahrt war ein Parkverbots-Schild, versehen mit dem Hinweis "gilt im gesamten Innenhof" angebracht. Die Streithelferin verwaltet die Immobilie und beauftragte am 08.10.2020 die Beklagte 1), den Wagen abzuschleppen. Dies tat die Beklagte 1) noch am selben Tag und verbrachte den Wagen auf ihr Firmengelände.
Der Kläger forderte sie mit Schreiben vom 12.10.2020 unter Fristsetzung zum 15.10.2020 zur Herausgabe des Wagens aus. Nachdem darauf keine Reaktion erfolgte, erhob er Herausgabeklage gegen die Beklagten. Die Beklagten zu 2) und zu 3) sind die persönlich haftenden Gesellschafter der Beklagten 1), einer offenen Handelsgesellschaft.
In dem Rechtsstreit beriefen die Beklagten sich auf ein Zurückbehaltungsrecht. Im Zuge der Auftragserteilung bezüglich der Abschleppmaßnahme seien die der Streithelferin zustehenden Schadensersatzansprüche an die Beklagte 1) abgetreten worden. Diese sei daher berechtigt, die dabei entstandenen Kosten einzuziehen. Die Bezahlung der "diesbezüglichen Kosten" durch den Kläger sei aber nicht erfolgt.
Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2021 vor dem Amtsgericht Dresden bezifferte die Beklagte 1) ihre geltend gemachte Gegenforderung auf zum damaligen Zeitpunkt 1.829,00 EUR und legte dazu eine Rechnung ("Quittung Proforma" genannt) vor, aus der hervorgeht, dass 269,00 EUR für "Bergen und Abschleppen, Spezialbergefahrzeug, Dokumentation/Protokollierung Fahrzeugzustand, Sicherstellung am Tag der Maßnahme" verlangt wurden, weitere 45,00 EUR für "Überstunden/Mehrarbeit" sowie Standgebühren i.H.v. 15,00 EUR pro Tag/PKW - zum damaligen Zeitpunkt 1.470,00 EUR.
Im März 2021 hat die Beklagte 1) Widerklage auf Zahlung von 2.639,00 EUR erhoben, wobei sie 269,00 EUR Abschleppgebühren, 45,00 EUR für Radrollereinsatz sowie 2.325,00 EUR für Standgebühren für 155 Tage (08.10.2020 - 12.03.2021) zu 15,00 EUR geltend gemacht hat zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen. Nach Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Dresden erweiterte die Beklagte 1) ihre Widerklage um weitere 2.610,00 EUR (Standgebühren für weitere 174 Tage).
Das Landgericht Dresden hat nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 11.01.2022
I. die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger den Pkw Volvo V 70 Bi-Fuel, amtliches Kennzeichen ..., Fahrgestellnummer ..., herauszugeben Zug um Zug gegen Erfüllung der Verpflichtung aus Ziffer III. des Urteils;
II. die Klage im Ü...