Entscheidungsstichwort (Thema)
Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Beendigungszeitpunkt für das Vorenthalten von Arbeitsentgelt bei einer juristischen Person
Leitsatz (redaktionell)
Ist der Beitragsschuldner eine juristische Person, wird die Tat des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 1 StGB spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft beendet.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Entscheidung vom 15.06.1009; Aktenzeichen 11 Ns 206 Js 5062/03) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 15. Juni 2009 unter Aufhebung der in Ziffer 2. und Ziffer 3. der Urteilsformel gebildeten Gesamtstrafen insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, als die Bildung einer einheitlichen Gesamtstrafe auch mit den Einzelstrafen für die in Ziffer 3. der Urteilsformel verurteilten Taten unterblieben ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Leipzig zurückverwiesen.
Gründe
I. Das Amtsgericht Leipzig hatte den Angeklagten mit Urteil vom 07. Juli 2008 wegen Betruges in 32 Fällen, Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 44 Fällen und vorsätzlicher Insolvenzverschleppung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 02. August 2005 und der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Stadtroda vom 05. Dezember 2006 sowie der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 03. Januar 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Leipzig mit Urteil vom 15. Juni 2009 das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 07. Juli 2008 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und den Angeklagten wegen Betruges in 32 Fällen und vorsätzlicher Insolvenzverschleppung unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 02. August 2005 in die Einzelstrafen und Einbeziehung dieser Einzelstrafen sowie unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Stadtroda vom 05. Dezember 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, wobei es zwei Monate als vollstreckt erkärt hat. Des Weiteren hat es gegen den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 44 Fällen eine weitere Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 40,00 EUR verhängt, wobei es zehn Tagessätze als vollstreckt erklärt hat. Die weitergehende Berufung hat es verworfen.
Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Revision eingelegt und diese auf die unterlassene Bildung einer einheitlichen Gesamtstrafe auch mit den für die Taten 2. bis 45. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafen beschränkt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil des Landgerichts Leipzig ausschließlich im Umfang der vorgenommenen Gesamtstrafenbildungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Leipzig zurückzuverweisen.
Der Verteidiger des Angeklagten hat beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen.
II. Die zulässigerweise auf die unterlassene Gesamtstrafenbildung (OLG Düsseldorf, VRS 68, 365) beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.
Das Landgericht hätte in die von ihm zu treffende Gesamtstrafenbildung nicht nur die für die Taten 1. und 46. bis 77. der Urteilsgründe ausgeworfenen Einzelstrafen, die Strafen aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Leipzig vom 02. August 2005 (unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe) und die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Stadtroda vom 05. Dezember 2006 einbeziehen müssen, sondern auch die für die Taten 2. bis 45. der Urteilsgründe ausgeworfenen Einzelstrafen.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine Gesamtstrafenbildung für alle vor dem Zeitpunkt des Erlasses des Urteils des Amtsgerichts Leipzig vom 02. August 2005 beendeten Straftaten des Angeklagten vorzunehmen ist (zum Erfordernis der Beendigung sh. Fischer, StGB, 56. Aufl., § 55 Rdnr. 7 m.w.N.).
Dies betrifft vorliegend - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch die in Nrn. 2. bis 45. der Urteilsgründe abgeurteilten Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266 a Abs. 1 StGB.
Das Vergehen nach § 266 a StGB stellt ein so genanntes echtes Unterlassungsdelikt dar. Bei einem solchen Delikt tritt Beendigung ein, wenn die Pflicht zum Tätigwerden entfällt (Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT 2, § 75 Rdnr. 22; LK-Schmid, StGB, 12. Aufl., § 78 a Rdnr. 12; Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, StGB, 27. Aufl., § 266 a Rdnr. 31).
Im Falle des § 266 a StGB entfällt die Handlungspflicht jedenfalls dann, wenn die Beitragspflicht erloschen ist, sei es durch Beitragsentrichtung oder durch Wegfall des Beitragsschuldners (BGH, wistra 92, 23; BGHSt 53, 24 ff.