Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorwegabzug von Kindergartenbeiträgen vor Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens des Unterhaltsverpflicheteten
Leitsatz (amtlich)
1. Kindergartenbeiträge als wesentliche Änderung des Einkommens.
2. Nachehelicher Unterhalt wegen Krankheit des Berechtigten, die schon in der Ehe begonnen hatte; Begrenzung und Befristung: 14 Jahre Ehedauer, gemeinsame Tochter volljährig keine ehebedingten Nachteile; Berechtigte bezieht 684 EUR EU-Rente; der Verpflichtete kann rund 1.400 EUR für Unterhalt einsetzen Eheende: 2000 Unterhalt: 2009-2010: 234 EUR 2011-2018: 100 EUR.
Normenkette
BGB § 1578b Abs. 1, § 1606 Abs. 3 S. 1, § 1609 Nr. 1, § 1610; ZPO § 323 Abs. 1; BGB § 1572; ZPO § 323 Abs. 5
Verfahrensgang
AG Chemnitz (Urteil vom 01.12.2008; Aktenzeichen 4 F 450/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des AG - Familiengericht - Chemnitz vom 1.12.2008 - 4 F 450/08, abgeändert und wie folgt gefasst:
Das Urteil des AG Chemnitz vom 15.7.2006 - 4 F 1301/05, wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger an die Beklagte wie folgt Unterhalt zu zahlen hat:
- vom 1.5.2008 bis zum 31.12.2010: 234 EUR
- vom 1.1.2011 bis zum 31.12.2018: 100 EUR.
Danach endet die Unterhaltsverpflichtung des Klägers.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen werden Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 3.288 EUR.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Abänderung eines Unterhaltstitels wegen nachehelichen Unterhalts.
Die Parteien waren von 1986 bis 2000 verheiratet und haben eine 1986 geborene Tochter. Im Scheidungsverfahren einigten sie sich vergleichsweise darauf, dass der Kläger bis September 2003 580 DM monatlich Unterhalt an die Beklagte zu zahlen hatte. Danach sollte neu verhandelt werden. Bei den Neuverhandlungen kam eine Einigung nicht zustande; der Kläger wurde im sodann geführten Unterhaltsrechtsstreit zur Zahlung monatlichen Unterhalts i.H.v. 274 EUR verurteilt (AG Chemnitz, Urt. v. 15.6.2006 - 4 F 1301/05). Auf den Inhalt dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
Die Beklagte leidet unter einer bipolaren Störung in Form einer manisch-depressiven Erkrankung. Sie ist aus diesem Grund erwerbsunfähig und bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente i.H.v. 684 EUR monatlich.
Der Kläger erzielt ein monatliches Einkommen i.H.v. bereinigt 1.242,51 EUR. Wegen der genauen Berechnung des Einkommens wird auf die Darstellung in der familiengerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
Der Kläger lebt in einer neuen Lebensgemeinschaft und ist Vater einer weiteren, am ... 2005 geborenen Tochter.
Der Kläger hat gemeint, er sei in der titulierten Höhe nicht mehr zur Zahlung verpflichtet, da er nicht nur seine jüngere Tochter zu unterhalten habe, sondern auch seine Lebensgefährtin. Hinzu kämen Betreuungskosten für den Kindergarten i.H.v. 108 EUR. Mit der Heraufsetzung des Selbstbehalts ergebe sich für ihn daher eine maximale Zahlungsverpflichtung i.H.v. 130 EUR. Diese sei wegen der zum 1.1.2008 geänderten Gesetzeslage außerdem auf ein Jahr zu befristen.
Die Beklagte hat gemeint, eine Abänderung des Unterhalts sei nicht gerechtfertigt, weil sich das Einkommen des Klägers nicht wesentlich geändert habe. Eine Befristung komme nicht in Betracht, weil sie auch nach der Gesetzesänderung auf den Fortbestand der Unterhaltszahlungen vertrauen dürfe.
Das Familiengericht hat den Unterhaltsanspruch der Beklagten bis zum 30.9.2012 befristet. Eine Änderung der Höhe nach hat es abgelehnt, da die Wesentlichkeitsgrenze nicht überschritten sei.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beklagte mit der Berufung und der Kläger mit der Anschlussberufung.
Die Beklagte meint weiterhin, eine Befristung des Unterhalts komme nicht in Betracht.
Sie beantragt, das Urteil des AG Chemnitz vom 1.12.2008 teilweise abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt er außerdem, unter teilweiser Abänderung des Urteils des AG Chemnitz vom 1.12.2008 das Urteil des AG Chemnitz vom 15.7.2006 - 4 F 1301/05, dahin abzuändern, dass der Kläger befristet für ein Jahr ab Klagezustellung einen Unterhalt i.H.v. 130 EUR an die Beklagte zu entrichten hat.
Der Kläger meint weiterhin, eine Unterhaltszahlung, die über die 9 Jahre hinausgehe, die er bereits gezahlt habe, sei unbillig und ihm nicht zuzumuten, zumal die Krankheit der Beklagten in der Ehezeit nicht aufgetreten sei.
Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
II. Berufung und Anschlussberufung sind zulässig. Beide haben jedoch nur teilweise Erfolg.
Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit aus § 1572 BGB (1.). Der Kläger ist in der tenorierten Höhe leistungsfähig (2.). Der Unterhaltsanspruch ist zeitlich zu befristen, wobei...