Leitsatz (amtlich)
1. Die aus der öffentlich-rechtlichen Reinigungspflicht gem. § 51 Abs. 3 SächsStrG folgende Räum- und Streupflicht für innerörtliche Gehwege und Überwege erstreckt sich auf einen Seitenstreifen auf der Fahrbahn, wenn kein baulich von der Fahrbahn abgegrenzter Gehweg vorhanden ist.
2. Die Gemeinden sind gem. § 51 Abs. 5 S. 1 SächsStrG grundsätzlich berechtigt, in diesem Umfang durch Satzung die Reinigungs- und Winterdienstpflichten auf die Anlieger zu übertragen.
3. Lediglich tatsächlich entbehrliche Wege, für die ein echtes, jederzeit zu befriedigendes Verkehrsbedürfnis nicht besteht, fallen aus dem Kreis der zu bestreuenden Verkehrsflächen heraus.
Verfahrensgang
LG Zwickau (Aktenzeichen 1 O 1315/00) |
Tenor
Der Gebührenstreitswert für das Berufungsverfahren wird auf bis 8.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat mit Grundurteil vom 7.2.2000 – Az.: 1 O 1315/00 –, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die Klage dem Grunde nach zuerkannt.
Gegen das ihr am 15.4.2002 zugestellte Grundurteil hat die Beklagte am 15.5.2000 mit Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese, nachdem ihr die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 17.7.2002 verlängert worden war, am 17.7.2002 mit Schriftsatz vom gleichen Tage begründet.
Die Beklagte trägt in der Berufungsinstanz vor: Das Bestreiten der Unfallursachen und -folgen bleibe auch in der Berufungsinstanz aufrechterhalten.
Selbst wenn die Klägerin in der F.-Z.-Straße i.H.d. Hausgrundstückes der Zeugin S. gestürzt sei, habe dort keine Verantwortlichkeit der Beklagten für den Winterdienst bestanden.
Die Beklagte habe gem. §§ 1, 6 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 der Satzung vom 7.9.1993, welche im N. Stadt-Anzeiger Nr. 19 am 17.9.1993 veröffentlicht war, den Winterdienst auf die Anlieger übertragen. Dies gelte insb. dann, wenn man der Auffassung des Landgerichtes folge, wonach die nicht mit baulich abgegrenzten Gehwegen versehene F.-Z.-Straße im Sturzbereich als ein als Gehweg dienender Verbindungsweg mit begrenzt zugelassenem Anliegerverkehr zu beurteilen sei.
Die Anlieger hätten – wie sich aus der Aussage der Zeugin S. ergebe – den Winterdienst seit 1990 ausgeführt. Dies sei der Beklagten auch bekannt gewesen. Deswegen sei, wenn man von keiner wirksamen Übertragung des Winterdienstes auf die Anlieger durch die Satzung ausgehe, aufgrund der tatsächlichen und dauerhaften Ausführung des Winterdienstes auf der F.-Z.-Straße durch die Anlieger dieser im Wege der Ingerenz ausschließlich auf die Anlieger übergegangen.
Sollte daher die F.-Z.-Straße am Unfalltag tatsächlich nicht einmal in Teilbereichen winterdienstlich ordnungsgemäß behandelt gewesen sein, wozu sich die Beklagte mit Nichtwissen erklären könne, wären hierfür ausschließlich die Anlieger verantwortlich gewesen.
Der Beklagten hätte auch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem hier fraglichen Unfall keine Kontrollpflicht obgelegen. Insoweit vermöge die Klägerin nicht darzulegen, weshalb die Beklagte gehalten gewesen wäre, unmittelbar vor dem Unfall eine Kontrolle durchzuführen.
Darüber hinaus würde für den fraglichen Anliegerweg überhaupt keine Pflicht zur Ausführung des Winterdienstes bestehen. Diese bestehe nämlich nur an solchen Wegen, für die ein echtes Verkehrsbedürfnis bestehe. Ein solches Verkehrsbedürfnis habe bezogen auf den Fußgängerverkehr jedoch für die F.-Z.-Straße nicht bestanden, da es sich um eine Straße mit völlig untergeordneter Verkehrsbedeutung handele und der D.-Einkaufsmarkt über gut ausgebaute, voll erschlossene und stets winterdienstlich behandelte Gehwege und Straße erreichbar gewesen sei. Eine Notwendigkeit, die schmale, nicht ausgebaute F.-Z.-Straße zu benutzen, habe deswegen nicht bestanden.
Des Weiteren scheide eine Haftung der Beklagten auch deswegen aus, weil sich die Klägerin in Kenntnis der tatsächlichen Oberflächenverhältnisse beim Rückweg erneut zur Begehung entschlossen habe, obwohl hinreichend winterdienstlich behandelte Flächen vorhanden gewesen seien.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt in der Berufungsinstanz ergänzend vor:
Zu Recht sei das LG bei seiner Beweiswürdigung aufgrund der vorhandenen Indizienkette zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin am 27.1.1998 an der Unfallstelle wegen Glätte gestürzt sei. Auf dem gesamten Weg zum D.-Einkaufsmarkt sei es glatt gewesen mit Ausnahme dort, wo die Anlieger geräumt und gestreut hätten. Auf der F.-Z.-Straße habe sich eine Eisfläche befunden. Diese sei aber wegen des anhaltenden Schneefalls verdeckt gewesen.
Die F.-Z.-Straße sei aufgrund des von den Zeugen S. bestätigten Fußgängerverkehrs auch winterdienstlich zu behandeln gewesen, zumal es sich hierbei um die – unstreitig – kürz...