Leitsatz (amtlich)

›1. Ein schwarzer, silberumrandeter Stoffaufnäher in Dreiecksform mit der Fraktur-Inschrift "Sachsen" stellt kein Kennzeichen (Abzeichen) einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation i.S.v. § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB (hier: Bund deutscher Mädel) dar und ist einem solchen auch nicht zum Verwechseln ähnlich i.S.d. § 86 a Abs. 2 S. 2 StGB, da auf den Eindruck eines unbefangenen Dritten abzustellen ist.

2. Das verdeckte Tragen eines Koppelschlosses mit einer Abbildung des nationalsozialistischen Hakenkreuzes mit abgerundeten Ecken erfüllt den Tatbestand der öffentlichen Verwendung gem. § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht.‹

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 103 Js 20084/97)

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht G hat mit Strafbefehl vom 11. Juni 1997 gegen den Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50,00 DM verhängt, weil er am linken Oberarm seiner Bekleidung "einem dem Gebietsabzeichen des nationalsozialistischen ’Bundes deutscher Mädel’ für Sachsen ... nachgebildeten Stoffaufnäher" getragen habe; mit derselben Entscheidung hat es ein weiteres tateinheitlich begangenes Vergehen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, welches der Angeklagte durch Tragen eines Koppelschlosses verübt habe, nach § 154 a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StPO aus dem Verfahren ausgeschieden. Gegen den ihn am 14. Juni 1997 zugestellten Strafbefehl hat der Angeklagte mit Telefax seines damaligen Verteidigers vom 25. Juni 1997, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag, form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht G hat mit Beschluss vom 10. Februar 1999 den zunächst ausgeschiedenen Teil der Tat - Tragen des Koppelschlosses - nach § 154 a Abs. 3 StPO wieder in das Verfahren einbezogen. Dasselbe Gericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 11. Juni 1999 wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60,00 DM verurteilt.

Hiergegen hat der Angeklagte mit Telefax seiner Verteidigerin vom 15. Juni 1999, eingetroffen beim Amtsgericht G am selben Tag, form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Das Landgericht L hat ihn mit Urteil vom 21. Oktober 1999 freigesprochen. Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft L mit Telefax vom 28. Oktober 1999, eingegangen beim Landgericht am selben Tag, form- und fristgerecht Revision eingelegt. Nachdem das Urteil ihr am 07. Dezember 1999 zugestellt wurde hat sie ihre Revision mit Schriftsatz vom 30. Dezember 1999, eingegangen beim Landgericht L am 05. Januar 2000, begründet; sie hat beantragt, das Urteil des Landgerichts L vom 21.10.1999 mit den ihm zu Grunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen; sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Dresden hat sich diesem Antrag angeschlossen.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft L ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht L hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

"Am 21.12.1996 besuchte der Angeklagte X einen Freund in G. Beide beschlossen, die Innenstadt der Kleinstadt zu Fuß aufzusuchen. Gegen 10.15 Uhr beschritten sie die August-Bebel-Straße in Höhe Einmündung Straße des Friedens. Der Angeklagte war dabei mit einer militärfarbenen Jacke bekleidet, auf deren linken Oberam ein sogenanntes "Gauabzeichen" angenäht war. Hierbei handelt es sich um ein schwarzes Stück Stoff in Form eines gleichschenkligen, rechtwinkligen Dreiecks mit einer Basis von ca. 10 cm und einer Schenkellänge von ca. je 7 cm. Im Abstand von etwa 5 mm parallel zu jedem der drei Ränder war ein ca. 2 mm breiter silberfarbener Streifen eingewirkt. Parallel zur Basis war in der Mitte des Dreiecks in gothischer Frakturschrift mit einer Buchstabenhöhe von ca. 1 cm das Wort "Sachsen" eingestickt. Die silberfarbene Buchstabenschrift war dabei genauso breit wie der silberfarbene Randstreifen. Weitere Namen und Bezeichnungen enthielt das inkriminierte Dreieck nicht. Im Gegensatz zu dem Gericht bekannt gewordenen anderen Fällen, trug der Angeklagte unter dem Dreieck auch kein weiteres rechtwinkliges Abzeichen durch das namentlich eine weitere territoriale Eingrenzung (z. B. M, L o. ä) erfolgte. Der "Bund deutscher Mädel" verwendete fast identische schwarze Stoffabzeichen, die auf das linke Oberarmstück der Dienstkleidung aufgenäht wurden und auf denen der Gauverband und der jeweilige Obergau (somit zwei Zeilen) in Frakturbuchstaben aufgestickt waren. Das vom Angeklagten getragene Abzeichen ist damit nicht identisch mit dem durch den "Bund deutscher Mädel" getragenen Abzeichen, das darüber hinaus auch nur ein Teil der gesamten Dienstkleidung darstellte.

Das vom Angeklagten getragene Abzeichen erweckt auch nicht den Anschein eines Kennzeichens einer der in § 86 a StGB genannten Organisation, weil ein durchschnittlicher, nicht besonders sachkundiger und n...

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