Leitsatz (amtlich)
1. Ein dem Schuldner vom Drittschuldner gewährter geldwerter Vorteil ist nur bei der Berechnung des pfändbaren realen, nicht aber bei der Ermittlung des fiktiven Arbeitseinkommens zu berücksichtigen.
2. Nur die fiktive Nettovergütung steht für die Pfändung zur Verfügung.
3. Freibeträge für Kinder können von dieser fiktiven Nettovergütung nur dann abgesetzt werden, wenn auch tatsächlich Unterhalt geleistet wird.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 5 O 396/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 07.05.2019 - Az 5 O 396/17 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.467,88 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Aufnahme des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 313a, 525, 542 Abs. 2 ZPO).
II. Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger nicht gem. § 850 h Abs. 2 ZPO zur Zahlung von pfändbarem Arbeitseinkommen an die Masse verpflichtet. Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift liegen nicht vor, da die vom Landgericht als angemessen angenommene Vergütung des Schuldners jedenfalls nicht die jeweils maßgeblichen Pfändungsfreigrenzen übersteigt.
§ 850 h Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmt für den Fall, dass der Schuldner einem Dritten in einem ständigen Dienstverhältnis Arbeiten oder Dienste, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, unentgeltlich oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung leistet, im Verhältnis des Gläubigers zu dem Empfänger der Arbeits- und Dienstleistungen eine angemessene Vergütung als geschuldet gilt. Arbeitseinkommen fällt nach §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 2 InsO in die Insolvenzmasse, soweit es pfändbar ist. Auch verschleiertes Arbeitseinkommen i.S.v. § 850h Abs. 2 ZPO, der nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO entsprechend anwendbar ist, gehört in Höhe des pfändbaren Teils der angemessenen Vergütung zur Insolvenzmasse (vgl. BAG 16.05.2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 40 mwN). Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 850h Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen, sowie bei der Bemessung der Vergütung ist nach § 850 h Abs. 2 Satz 2 ZPO auf alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Art der Arbeits- und Dienstleistung, die verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen zwischen dem Dienstberechtigten und dem Dienstverpflichteten und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Dienstberechtigten Rücksicht zu nehmen. Aus dieser Regelung des Gesetzes ergibt sich, dass zunächst die übliche Vergütung für die Dienste, die der Schuldner leistet, ermittelt werden muss. Ist die "übliche Vergütung" gefunden, so muss das zwischen Arbeitgeber und Schuldner vereinbarte Arbeitsentgelt damit verglichen und festgestellt werden, ob der Schuldner gegen eine "unverhältnismäßig geringe" Vergütung arbeitet. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann das Gericht eine angemessene Vergütung festsetzen. Dabei obliegt die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Voraussetzungen des § 850 h Abs. 2 Satz 1 ZPO der klagenden Partei (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 16 Sa 636/16 -, Rn. 25, juris m.w.N.).
1. Die Beklagte hat mit dem Schuldner ein Brutto-Arbeitsentgelt von 700,- EUR vereinbart, das als unangemessen niedrige Vergütung anzusehen ist. Der beweisbelastete Kläger hat aber demgegenüber den Beweis nicht führen können, dass das vom Landgericht ohne Fehler bei der Beweiswürdigung für die Tätigkeit des Schuldners als angemessene Vergütung angesetzte Bruttoentgelt einen pfändbaren Betrag erreicht.
a) Auf der Grundlage der vom Kläger vorgetragenen Umstände des Geschäftsbetriebes der Beklagten und des erforderlichen Arbeitsaufwandes des Schuldners ist der Beurteilung einer angemessenen Vergütung zugrunde zu legen, dass der Schuldner wöchentlich mindestens 30 Stunden für die Beklagte tätig und diese Tätigkeit mit dem jeweils geltenden Mindestlohn zu vergüten ist, wie das Landgericht mit überzeugenden Erwägungen ausgeführt hat. Ferner ist für die Geschäftsführertätigkeit und insbesondere das damit einhergehende Haftungsrisiko ein weiterer Betrag von 300,- EUR in die Vergütung einzustellen.
Entgegen der Ansicht des Klägers erhöht sich der pfändbare Betrag aber nicht im Fall der - vorliegend streitigen - Privatnutzung des Firmen-PKWs durch den Schuldner um einen geldwerten Vorteil. Ein dem Schuldner vom Drittschuldner gewährter geldwerter Vorteil ist nur bei der Berechnung des pfändbaren realen Arbeitseinkommens, nicht auch bei der Ermittlung des höheren pfändbaren fiktiven Arbeitseinkommens zu berücksichtigen (vgl. BAG, Urteil vom 23. April 2008 - 10 AZR 168/07 -, Rn. 21, m.w.N. - juris).
Entgegen der Ansicht des Klägers steht der Annahme einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 30 Stunden nicht entgegen, dass das Ladengeschäft der Beklagten ausweislich einer Internetrecherche auch samsta...