Leitsatz (amtlich)
1. Beim Schlüsselverlust einer Wohnungsanlage kann der Geschädigte sowohl Kosten für den Austausch der Schlüsselanlage als auch für provisorische Sicherungsmaßnahmen verlangen, sofern die konkrete Gefahr eines Missbrauchs des verlorenen Schlüssels durch Dritte besteht.
2. Da Schließanlagen einer mechanischen Abnutzung unterliegen, ist jedoch stets ein Abzug "Neu für Alt" vorzunehmen, der gemäß § 287 ZPO geschätzt werden kann.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 649/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 12.02.2019, Az 8 O 649/16, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.529,03 EUR festgesetzt.
Gründe
I. (Von der Aufnahme des Tatbestandes wird abgesehen §§ 540, 313 a ZPO)
II. Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Der Beklagte ist zwar dem Grunde nach der Klägerin zum Schadenersatz aus den beiden Schadensfällen verpflichtet. Der Klägerin stehen jedoch keine weiteren Schadensersatzansprüche zu, da insoweit Erfüllung eingetreten ist.
1. Schadensfall vom 24.08.2015 (Tour S...):
a) Der Beklagte ist nach §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 2, 257 BGB zum Schadenersatz verpflichtet, da er durch die Nichtrückgabe der ihm von der Klägerin überlassenen Technikschlüssel seine Obhuts- und Rückgabepflicht aus den zwischen den Parteien bestehenden Dienstverträgen verletzt hat. Die Haftung dem Grunde nach wurde von der Beklagtenseite anerkannt.
b) Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, dass ein Schadenersatzanspruch der Klägerin erst gegeben sei, wenn sie von den Eigentümern der betroffenen Objekte tatsächlich auf Schadenersatz in Anspruch genommen worden wäre. Hierauf kommt es aber im Ergebnis nicht an, da die Schließanlagen im Auftrag der Klägerin tatsächlich jeweils ausgetauscht worden sind.
Grundsätzlich entsteht ein ersatzfähiger Schaden bereits dann, wenn sich der Geschädigte aus objektiver Sicht unter den konkret gegebenen Umständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen darf, die Schließanlage zu ersetzen und diesen Austausch auch tatsächlich vornimmt (vgl. BGH, Urteil vom 05. März 2014 - VIII ZR 205/13 -, Rn. 14, juris m.w.N.; so auch zuletzt LG Paderborn, Urteil vom 25. September 2017 - 4 O 139/17 -, Rn. 19, juris). Die Geschädigten waren hier die WEG bzw. die Eigentümer der jeweiligen Objekte. Grundsätzlich oblag es ihrer Entscheidung, den Austausch der Schließanlagen zu veranlassen. Hier bestand aber die Besonderheit, dass die Fa. H ... Bauservice von den jeweiligen WEG als Verwalter bzw. Hauswart eingesetzt war. Eines gesonderten Beschlusses der jeweiligen WEG bzw. der Eigentümer zum Austausch der Schließanlagen bedurfte es nicht, da die Fa. H ... Bauservice als Verwalter bzw. aufgrund der Hausverwaltungsverträge gem. § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG, § 675, 670 BGB berechtigt war, den unverzüglichen Austausch der Schließanlagen zu veranlassen und die Klägerin auf Ersatz der dafür entstandenen Kosten in Anspruch zu nehmen. Da die Klägerin als Erfüllungsgehilfin der Fa. H ... Bauservice den Erstattungsansprüchen der WEG bzw. der Eigentümer ausgesetzt ist, kann sie den Beklagten unmittelbar auf Ersatz ihres Schadens in Anspruch nehmen.
c) Der Austausch der Schließanlagen in den einzelnen Objekten war aus Sicherheitsgründen jeweils geboten gewesen. Dies hat das Landgericht zu Recht im wesentlichen bejaht und hiervon lediglich die Kosten für den im Kostenvoranschlag aufgeführten Einbau der provisorischen Schließanlagen (fehlender Nachweis für den tatsächlich erfolgten Einbau) und die Kosten für die Tätigkeit des Geschäftsführers der Klägerin und der Mitarbeiter ausgenommen.
Die Kosten für die Lieferung der provisorischen Schließanlagen sind nach Abwägung des Einzelfalls erstattungsfähig. Auch provisorische Sicherungsmaßnahmen können gerechtfertigt sein, wenn und soweit durch den Verlust des Schlüssels einer Schließanlage konkret eine missbräuchliche Verwendung des nicht auffindbaren Schlüssels durch Unbefugte zu befürchten ist (vgl. BGH a.a.O., Rn. 14, juris). Soweit im Objekt B... Str. x eine provisorische Schließanlage eingebaut wurde, könnte dies zweifelhaft sein, da bei der Schließanlage aus dem Jahr 1999 insgesamt drei weitere Zentralschlüssel und auch 11 Einzelschlüssel (Wohnungsschlüssel?) zum Entwendungszeitpunkt bereits nicht mehr vorhanden waren. Die Missbrauchsgefahr besteht aber unabhängig davon und wurde durch die Entwendung deutlich erhöht. Denn aufgrund der konkreten Entwendungssituation, hier eines Diebstahls von beschrifteten Schlüsseln aus einem geparkten Pkw, nicht auszuschließen ist, dass der Technikschlüssel, der Zugang zum Haus aber nicht zu den einzelnen Wohnungen gewährt, aktuell durch die unbekannten Täter des Diebstahls zum Eindringen in das Objekt benutzt wird. Dieselben Erw...