Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückabwicklung des Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung: Inhaltskontrolle für ein notarielles Kaufvertragsangebot mit Fortgeltungsklausel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird im Rahmen eines notariellen Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Fortgeltungsklausel bezüglich der Bindungswirkung des Kaufvertragsangebots vereinbart, so hält dieses einer Inhaltskontrolle stand.(Rz. 13)

2. Der Käufer wird durch die in der Klausel vorgesehene bindungsfreie Fortgeltung des Angebots nicht unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteiligt.(Rz. 17)

3. Als sprachlich und inhaltlich abtrennbare Bestimmung bleibt eine solche Fortgeltungsklausel wirksam, selbst wenn sie nicht den Vorgaben des BGH (vergleiche BGH, 11.6.2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873) entspricht.(Rz. 29)

 

Normenkette

BGB §§ 305c, 306 Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 19.07.2011; Aktenzeichen 4 O 3884/10)

BGH (Aktenzeichen V ZR 12/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten und der Streitverkündeten wird das Urteil des LG Leipzig vom 19.7.2011 - Az. 4 O 3884/10 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streitverkündeten tragen die Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung (wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 40.000 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagten oder die Streitverkündeten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Streitwert: 159.688,23 EUR

 

Gründe

I. Die Kläger verlangen Schadensersatz und Rückabwicklung eines notariellen Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Am 21.9.2007 ließen die Kläger ein Angebot zum Abschluss eines Wohnungskaufvertrages gegenüber der Beklagten notariell beurkunden (Anlage K 1).

Ziff. II. des Kaufvertrages lautet:

"An das Angebot hält sich der Käufer bis zum 30.11.2007 unwiderruflich gebunden.

Nach Ablauf der Frist erlischt lediglich die Bindung an das Angebot, nicht jedoch das Angebot, das in stets widerruflicher Weise fortbesteht.

Der Widerruf ist schriftlich gegenüber dem Verkäufer zu erklären. Bis zum Zugang der Widerrufserklärung beim Verkäufer kann das Angebot noch angenommen werden."

Das LG hat die Beklagten zur Rückabwicklung nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB Zug um Zug gegen Rückübertragung der streitgegenständlichen Eigentumswohnung verurteilt, da kein wirksamer Kaufvertrag vorliege. Zwar liege ein Angebot der Kläger vor (vom 21.9.2007). Die Beklagten hätten dieses Angebot auch angenommen. Die Klauseln, nachdem die Käufer gebunden seien und das Angebot fortbestehe, seien jedoch nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam, mit Hinweis auf die Entscheidung BGH v. 11.6.2010 - V ZR 85/09.

Die Beklagten und die Streitverkündeten sind der Ansicht, die streitigen Klauseln seien nicht nach §§ 306 ff. BGB nichtig, die Beklagten hätten das notarielle Angebot der Kläger rechtzeitig und ordnungsgemäß angenommen.

Sie beantragen, das Urteil des LG Leipzig aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Berufungsbeklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

II. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach § 812 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB. Die Kläger haben ein wirksames Kaufvertragsangebot abgegeben (Anlage K 1), das die Beklagten am 27.12.2007 (Anlage K 2) wirksam angenommen haben. Das Angebot bestand nach II. Abs. 2 des notariellen Kaufangebotes fort. Diese Klausel hält der Inhaltskontrolle stand (1), sie entfällt auch nicht, weil II. Abs. 1 des Angebotes (wohl) unwirksam ist (2).

1.II. Abs. 2 des notariellen Kaufangebotes vom 21.9.2007, das von den Beklagten als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellt worden ist, § 310 Abs. 3 Ziff. 1 BGB, hält einer Inhaltskontrolle stand. Diese Klausel belastet die Käufer nicht unangemessen.

a) Es liegt keine überraschende Klausel vor, § 305c BGB, die Kläger wurden vom Notar auf diese Klausel hingewiesen (vgl. auch ausführlich dazu Herler/Suttmann, DNot 2010, 883, 890).

b) Die Klausel über die Fortgeltung des Angebots ist nicht nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam; es wird keine Annahmefrist vorbehalten. Der Käufer wird nicht gebunden. Vielmehr ist ausdrücklich geregelt, dass die Bindung an das Angebot nach Ablauf der Frist erlischt, so dass das Angebot sodann stets widerrufen werden kann.

c) Die beanstandete Fortgeltungsklausel unterliegt nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der Inhaltskontrolle und hält ihr stand. Der Käufer wird durch die in der Klausel vorgesehene bindungsfreie Fortgeltung des Angebots nicht unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteiligt.

aa) Die Fortgeltungsklausel weicht nicht i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts ab. Insbesondere gerät sie nicht mit §§ 145 ff. BGB in Konflikt. Diese Vorschriften enthalten kein gesetzliches Leitbild, das die Möglichkeit einer Vereinbarung über eine die Bindungsdauer übersteig...

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