Leitsatz (amtlich)

1. Eine wirksame Prämienanpassung heilt vorausgegangene unwirksame Anpassungen in vollem Umfang ex nunc.

2. § 8b MB/KK stellt eine wirksame Rechtsgrundlage für Anpassungen dar, die unterhalb des gesetzlichen Schwellenwertes liegen.

3. Der Versicherer hat auch dann die Möglichkeit zu einer Erhöhung der Prämie, wenn der auslösende Faktor fällt, weil der auslösende Faktor nur die Notwendigkeit einer Prüfung anzeigt, über das Ergebnis dieser Prüfung jedoch keine Aussage trifft.

4. Die für den Lauf der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis des Versicherungsnehmers lag mit Erhalt der Anpassungsschreiben vor; dass es zum Umfang der für eine Prämienanpassung mitzuteilenden Gründe einen Meinungsstreit gab, ist nicht geeignet, den Verjährungsbeginn hinauszuschieben.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2978/20)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 13.07.2021 - 3 O 2978/20 - wird zurückgewiesen.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 16.144,40 EUR und für das Berufungsverfahren auf 11.516,06 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Kranken- und Pflegeversicherung. Er begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit diverser Beitragserhöhungen, die Rückzahlung der dazugehörigen bereits entrichteten Beiträge und die Feststellung der Verpflichtung zum Nutzungsersatz aus den rückgeforderten Beiträgen nebst Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten. Erstinstanzlich hat er die Tariferhöhungen zum 01.01.2011 (K ... - 3,36 EUR; V ... - 36,39 EUR; G ... - 3,60 EUR) zum 01.01.2012 (K ... - 4,28 EUR; V ... - 35,19 EUR; G ... - 3,52 EUR), zum 01.01.2016 (V ... - 39,85 EUR, G ... - 3,97 EUR), zum 01.01.2018 (K ... - 6,04 EUR) und zum 01.01.2019 (V ... - 69,03 EUR; G ... - 6,91 EUR) zunächst als formell unwirksam gerügt. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 29.04.2021 ihre Berechnungsgrundlage für die Beitragsanpassungen offengelegt. Daraufhin hat der Kläger die im Feststellungsantrag zu Ziffer 1. der Klage begehrte Absenkung teilweise einseitig für erledigt erklärt, darüber hinaus aber nun die materielle Rechtswidrigkeit der Beitragserhöhungen im Tarif V ... zum 01.01.2011 und zum 01.01.2016 gerügt, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Unwirksamkeit des § 8 Ziffer 2 der zwischen den Parteien vereinbarten AVB. Zusätzlich hat er die materielle Unwirksamkeit des schon wegen § 8 Ziffer 2 als materiell unwirksam beanstandeten Tarifs V ... zum 01.01.2016 und des Tarifs K ... zum 01.01.2018 wegen Kalkulationsunterschreitung gerügt.

Die Beklagte hat die Verjährungseinrede erhoben.

Das Landgericht hat lediglich die Beitragsanpassung zum 01.01.2019 für rechtswidrig erachtet und diesbezüglich die begehrte Feststellung ausgesprochen als auch die Beklagte zur Rückzahlung der dazugehörigen Beitragserhöhungen in den Tarifen V ... und G ... nebst Nutzungsersatz verurteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein erstinstanzliches Ansinnen insofern eingeschränkt weiter, als er Ansprüche aus der Beitragserhöhung zum 01.01.2018 nicht mehr geltend macht. Im Übrigen wiederholt und vertieft er seine erstinstanzliche Begründung.

Er beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass über die im erstinstanzlichen Urteil festgestellte Unwirksamkeit hinaus folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 0000/00 000 000 x 00 unwirksam waren:

a) im Tarif V ... die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 36,39 EUR,

b) im Tarif K ... die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 3,36 EUR,

c) im Tarif G ... die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 3,60 EUR,

d) im Tarif V ... die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 35,19 EUR,

e) im Tarif G ... die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 3,52 EUR,

f) im Tarif K ... die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 4,28 EUR,

g) im Tarif V ... die Erhöhung zum 01.01.2016 in Höhe von 39,85 EUR,

h) im Tarif G ... die Erhöhung zum 01.01.2016 in Höhe von 3,97 EUR,

und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite über den erstinstanzlich zum Antrag zu 2. ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 9.579,48 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jewe...

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