Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungsentschädigung
Leitsatz (amtlich)
1. Das gesetzliche Besitzrecht öffentlicher Körperschaften an Verkehrsflächen aus Art. 233 § 2a Abs. 9 EGBGB besteht auch dann, wenn Flächen, die in der DDR nach Enteignung für Verkehrszwecke in Anspruch genommen worden sind (Verkehrsflughafengelände) im Wege der Resitution nach dem Vermögensgesetz zurückübereignet worden sind.
2. Das gesetzliche Recht zum Besitz aus Art. 233 § 2a EGBGB wird nicht grundsätzlich dadurch beendigt, dass der Grundstückseigentümer nach Restitution einen zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem Nutzer abgeschlossenen, nach § 17 VermG übergegangenen Vertrag kündigt. Einem vertraglichen Herausgabeanspruch kommt jedenfalls dann kein Vorrang gegenüber dem gesetzlichen Recht zum Besitz aus Art. 233 § 2a Abs. 9 EGBGB zu, wenn der Fortbestand der Nutzung zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe oder zur Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs zwingend erforderlich ist.
3. Der Grundstückseigentümer kann unter den unter Ziffer 2 genannten Voraussetzungen allerdings dem Moratoriumszins aus Art. 233 § 2a Abs. 9 EGBGB verlangen. Dieser Anspruch kann unmittelbar gegenüber einer aus Vertrag mit der Körperschaft zu Besitz berechtigten Betreibergesellschaft geltend gemacht werden, wenn die aus dem Moratorium zum Besitz berechtigte Körperschaft das Besitzrecht nach Art. 233 Abs. 2 Satz 2 EGBGB übertragen hat. Eine solche Übertragung liegt bereits vor, wenn im Zuge der Privatisierung öffentlicher Aufgaben die Grundstücke der Betreibergesellschaft auf Dauer überlassen worden sind und eine Einbringung durch Übereignung in das Betriebsvermögen vorbereitet worden ist.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 30.12.1999; Aktenzeichen 7 O 3049/97) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Leipzig – 7. Zivilkammer – vom 30. Dezember 1999 wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.048,16 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 01.04.1997 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurück- und die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts Leipzig vom 30.12.1999.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Kläger gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 2.500 DM abwenden, die Kläger die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 17.000 DM abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Beschwer der Kläger beträgt 92.982,94 DM.
5. Die Revision der Beklagten gegen dieses Urteil wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 95.031,10 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger begehren aus abgetretenem Recht die Zahlung eines Nutzungsentgelts für die Monate Januar und Februar 1997 für ein Grundstück, eingetragen im Grundbuch von … (Grundbuchauszüge sind im Rechtsstreit als Anlagen K 6 = Bl. 83 ff. und K 19 = Bl. 201 ff. vorgelegt worden).
Das Grundstück besteht aus dem Flurstück 18/1 mit einer Fläche von 45.253 m². Es liegt im Vorfeld (Anflugsektor) ca. 400 m vor dem Kopf und ca. 50 m seitlich der Mittellinie der Start- und Landebahn des …. Eine die Lage des Grundstücks darstellende Luftbildaufnahme des gesamten Flughafengeländes im Maßstab 1:5.000 ist dem eingeholten Gutachten von Frau … beigefügt (Bl. 324 d.A). Das Grundstück liegt im Bauschutzbereich nach § 12 des Luftverkehrsgesetzes. Nach einer Auskunft des technischen Leiters des Flughafens aus dem Jahre 1993 (Vorgelegt im Parallelverfahren 21 U 157/00 als Anlage K 30 = Bl. 631 d.A.), die in dem nachstehend erwähnten Rechtsstreit über die Restitution u.a. dieses Grundstücks erstellt worden ist, befinden sich auf dem Grundstück folgende, zum Flughafen gehörende Einrichtungen:
- ○ Sendehaus, mit den Schalt- und Sendeanlagen des Instrumenten-Anflugsystems (ILS) des Flughafens,
- ○ Leichtflüssigkeitsabscheider und Zwischenspeicherbecken zur Abscheidung von Kraftstoffen bei Betankungsfehlern und Unfällen,
- ○ Rollfeldring und Havariestraße für den innerbetrieblichen Verkehr des Flughafens und als Zufahrt für Rettungs- und Löschfahrzeuge bei Havarien bei Start- oder Landevorgängen.
Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Herr … (im folgenden: der Zedent) war Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes mit einer Nutzfläche von 48,32 ha und Gebäuden und Hofflächen von 2.900 m². Er verließ im Juni/Juli 1953 die DDR unter Nichteinhaltung der gesetzlichen Meldebestimmungen. Eine im Restitutionsverfahren nach dem Vermögensgesetz (VermG) vorgelegte Bescheinigung des Volkskreispolizeiamtes vom 12.02.1954 nennt den 08.06.1953 als Tag der Ausreise des Zedenten. Mit Entscheidung des Rates des Kreises …, Referat Staatliches Eigentum, vom 27.02.1954 wurde die E...