Leitsatz (amtlich)

1. Zum notwendigen Begründungsumfang einer Mitteilung über die Beitragserhöhung in der privaten Krankenversicherung gehören die veränderte Rechnungsgrundlage und die Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert, der aber nicht im Einzelnen benannt werden muss, überschritten sind.

2. Erfolgen diese Angaben im Beitragserhöhungsschreiben oder Versicherungsschein nicht in Bezug auf einen konkreten Tarif, genügt es nicht, wen ein beigefügtes Informationsblatt allgemein schildert, welche Faktoren zu einer Beitragserhöhung führen können.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 2491/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.11.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Dresden - Az. 8 O 2491/20 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrages der zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Vers.-Nr. 0000000000 unwirksam waren:

a) im Tarif 906E-N/85 die Erhöhung zum 1.1.2014 i.H.v. 4,12 EUR bis zum 31.12.2017

b) im Tarif VA100-2-N die Erhöhung zum 1.1.2015 i.H.v. 58,83 EUR bis zum 31.12.2018

c) im Tarif EL Bonus-U die Erhöhung zum 1.1.2015 i.H.v. 36,30 EUR bis zum 31.12.2017

und die Klägerin nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.896,96 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 12.01.2021 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 16.3.2021 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerin ab dem 1.1.2017 auf die unter 1.) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Verfahrens in erster Instanz trägt die Klägerin 90% und die Beklagte 10%. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 61% und die Beklagte 39%.

IV. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.965,29 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO abgesehen.

II. A) Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit einer Klage für den auf die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung gerichteten Feststellungsantrag bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - juris). Denn allein mit dem vom Kläger erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge wäre nicht rechtskräftig festgestellt, dass er zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist (so BGH, a.a.O.). Ein schutzwürdiges Interesse kann auch an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses bestehen, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben können (so BGH, a.a.O., Rdnr. 19).

B) Das Feststellungsbegehren und das Zahlungsbegehren sind teilweise begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 1.896,96 EUR wegen der formellen Unwirksamkeit der Prämienanpassungen zum 01.01.2014 und zum 01.01.2015 für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.12.2017 bzw. 31.12.2018 zu, § 812 BGB. Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Prämienanpassung zum 01.01.2018 formell wirksam und ist die Prämienanpassung im Tarif Vital-Z-N aufgrund der vereinbarten Tarifänderung ebenfalls als wirksam anzusehen.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - und IV ZR 314/19 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/16 - Rdnr. 26). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte übersteigt. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderungen dieser Rechnungsgrundlagen nicht entscheidend (so BGH, a.a.O., Rdnr. 35). Die Überprüfung der Prämie wird ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird; dabei kommt es nicht darauf an, in welche...

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