Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kaufvertrag, mit dem die verfügungsberechtigte Kommune im Jahre 1996 ein noch nicht zugeordnetes, ehemals volkseigenes Grundstück, belastet mit einem Nutzungsrecht gem. §§ 287 ff. ZGB, an die Inhaber des Nutzungsrechts und des auf seiner Grundlage entstandenen selbständigen Gebäudeeigentums (Einfamilienhaus) verkauft hat, ist nicht deshalb sittenwidrig und folglich nichtig, weil die Veräußerung auf der Grundlage des sog. Modrow-Gesetzes noch zu DDR-Baulandpreisen und damit weit unter dem Verkehrswert erfolgt ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Kommune die Unwirksamkeit des Vertrages erstmals annähernd fünf Jahre nach Vertragsschluss geltend gemacht hat. Eine Unwirksamkeit des Vertrages folgt auch nicht aus dem gesetzlichen Verbot, kommunales Vermögen unter Wert zu veräußern oder der fehlenden Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde.
2. § 8 Abs. 1a S. 1 VZOG ist verfassungskonform.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 17.03.2003; Aktenzeichen 6 O 3261/02) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Dresden vom 17.3.2003 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 115 % des zu vollstreckenden Betrages zunächst abwenden; die Beklagten dürfen weiter vollstrecken, wenn sie ihrerseits Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Gründe
A. Die klagende Landeshauptstadt Dresden verlangt von den Beklagten die Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages, dem das Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude („Modrow-Gesetz”) vom 7.3.1990 (GBl./DDR I, 157) zugrunde lag.
Durch Urkunde vom 12.11.1984 erhielten die Beklagten an einem Grundstück in Dresden ein Nutzungsrecht zum Zwecke der Bebauung mit einem Einfamilienhaus verliehen. Das Grundstück stand im Eigentum des Volkes, Rechtsträger war der VEB K. der Stadt Dresden (vgl. Grundbuchauszug Anlage K 2). Die Beklagten bebauten des Grundstück wie vorgesehen.
Um die mit dem o.g. Gesetz eingeräumte Möglichkeit des Grundstückskaufs nutzen zu können, bewarben sie sich gleich am 7.3.1990 um den Erwerb. Dazu kam es vorerst nicht. Die vormaligen Eigentümer des Grundstücks hatten Restitutionsansprüche angemeldet, über die erst im Mai 1996 entschieden wurde.
Unter dem 27.8.1996 teilte die Klägerin den Beklagten dann mit, dass ihr Stadtrat dem Erwerbsantrag zugestimmt habe (Anlage K 8). Mit Vertrag vom 13.9.1996 (Anlage K 9) verkaufte die Klägerin den Beklagten das Grundstück zu einem Preis von DM 4.250,00. Am 5.1.1998 wurden diese als Eigentümer in das Grundbuch eintragen. Dem Kaufvertrag war ausdrücklich ein Stadtratsbeschluss der klagenden Landeshauptstadt vom 17.8.1995 (Anlage B 6) zugrunde gelegt worden, wonach in Fällen wie hier Grundstücke noch zu den von den DDR-Preisvorschriften vorgegebenen Preisen verkauft werden konnten, obwohl mittlerweile das Sachenrechtsbereinigungsgesetz in Kraft getreten war, das als Preis den halben Verkehrswert vorsah.
Mit Bescheid vom 12.2.1998 (Anlage K 5) wurde das umstrittene Grundstück der klagenden Landeshauptstadt zugeordnet.
Mit Bescheid vom 19.6.2001 (Anlage K 13) beanstandete das Regierungspräsidium Dresden als Rechtsaufsichtsbehörde den vorliegenden und 145 weitere Grundstücksverkäufe wegen des geringen Kaufpreises.
Die infolge dieser Beanstandung erhobene Klage auf Grundbuchberichtigung (hilfsweise auf Rückauflassung) sowie auf Feststellung des Annahmeverzuges hat das LG durch Urteil vom 17.3.2003 (veröffentlicht in: NJ 2003, 379) abgewiesen. Auf die Entscheidung wird hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Urteil ist der Klägerin am 24.3.2003 zugestellt worden. Am 24.4.2003 hat sie Berufung eingelegt und diese am 26.5.2003, einem Montag, begründet.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren fort. Der Kaufvertrag vom 13.9.1996 sei gem. § 134 BGB nichtig, weil er gegen das kommunalrechtliche Verbot verstoße, kommunales Vermögen unter Wert zu veräußern. Außerdem sei der Vertrag nicht wie erforderlich von der Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt worden. Darüber hinaus sei der Vertrag auch gem. § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Der wahre Wert des Grundstücks ohne das Bauwerk habe 125.500 DM betragen, mithin liege ein erhebliches Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vor. Die für die Annahme der Sittenwidrigkeit weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigen Teils werde in Fällen wie hier vermutet. Darüber hinaus ergebe sich die Sittenwidrigkeit auch daraus, dass der Vertrag in erheblichem Maße den Interessen der Allgemeinheit zuwider laufe.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 17.3.2003 verkündeten Urteils des LG Dresden, Aktenzeichen: 6-O-3261/02:
1. die Beklagten zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückerstattung des von den Beklagten bezahlten Kaufpreises i.H.v. 2.172,99 Euro ihr...