Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidung zum Kontrahierungszwang für Postwurfsendungen der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 22.12.2010)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.09.2012; Aktenzeichen I ZR 116/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Leipzig vom 22.12.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des für die Beklagte vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf bis zu 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zustimmung zum Abschluss eines Rahmenvertrages über die Beförderung der Publikation "K." zur Verteilung an alle Haushalte mit Tagespost in der Stadt ... gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Für den weiteren Sachverhalt wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie hält daran fest, dass entgegen der Auffassung des LG die Zustellung der Publikation "K." eine Postdienstleistung i.S.d. § 4 Nr. 1 PostG sei, auch wenn diese nicht an konkrete Adressaten versandt werden soll. § 4 Nr. 1 lit. c) PostG setze eine Adressierung gerade nicht voraus. Auch § 4 Nr. 2 PostG nehme Kataloge und Zeitschriften vom Begriff und damit vom Erfordernis der Adressierung aus. Die Beklagte sei deshalb zur Zustellung gem. § 2 PDLV i.V.m. § 18 PostG verpflichtet. Die Beklagte habe auch eine Markt beherrschende Stellung inne. Sachliche Gründe dafür, sich einer Verteilung der Publikation "K." zu entziehen, könne sie nicht anführen. Die unsubstantiiert dargelegten Befürchtungen der Beklagten stünden dem Kontrahierungszwang nicht entgegen. Vielmehr sei die Klägerin als Teil organisierter Staatlichkeit des Freistaates Sachsen vor Verunglimpfungen zu schützen. Die Klägerin habe zudem einen Anspruch aus § 3 PDLV, weil die Verteilung der Publikation "K." auch ein Universaldienst i.S.d. § 1 PUDLV sei. Ferner könne sich die Klägerin - entgegen der vom LG vertretenen Auffassung - auch auf Art. 3 GG i.V.m. § 242 BGB stützen. Die Beklagte könne in dem von ihr betriebenen Massengeschäft ihre Kunden nicht frei wählen. Sie regle in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zudem selbst, unter welchen Voraussetzungen sie sich einen Nichtabschluss des Vertrages vorbehalte. Diese Voraussetzungen seien hier aber nicht gegeben. Auch wegen des Umstandes, dass die Beklagte auf einem regulierten Markt tätig sei, ergäben sich Beschränkungen ihrer Privatautonomie. Vorliegend sei auch von dem einzigen weiteren leistungsfähigen Beförderer - der "L ..." - eine Zustellung abgelehnt worden. Für die Klägerin liege insoweit praktisch keine Ausweichmöglichkeit vor, so dass - wegen der fehlenden sachlichen Ablehnung - ein Kontrahierungszwang für die Beklagte bestehe. Zudem habe der Rechtsstreit auf die Kammer übertragen werden müssen. Entgegen der Ausführungen im Urteil handele es sich bei der Rechtsfrage, ob ein Unternehmen mit erheblicher Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland einen Teil eines Verfassungsorgans eines Bundeslandes "boykottieren" könne, um eine durchaus grundsätzliche Fragestellung, die so deutlich aufgeworfen worden sei, dass das Gericht sie nicht habe übersehen können.

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des LG Leipzig vom 22.12.2010 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber der Klägerin dem Abschluss eines Rahmenvertrages über die Beförderung der Publikation "K." zur Verteilung "an alle Haushalte mit Tagespost" der Stadt ... gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ("Postwurfsendung") zuzustimmen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hält nach wie vor die Klage für unzulässig, weil der Antrag nicht hinreichend konkret formuliert sei. Jedenfalls sei sie unbegründet. Bereits wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs sei zweifelhaft, ob die Klägerin auf die Beklagte zur Verteilung ihrer Publikation angewiesen sei; allein der Hinweis auf eine - tatsächlich nicht vorhandene - Markt beherrschende Stellung genüge insoweit nicht. Die Beklagte hält am Adressierungserfordernis fest. Daran würde sich auch durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts ändern. Ferner diene die Publikation "K." auch der bloßen Parteienwerbung. Ein Anspruch aus Art. 3 GG i.V.m. § 242 BGB stehe der Klägerin nicht zu. Die Beklagte habe nicht die Pflicht, ihre Kunden gleich zu behandeln. Zudem könne aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen kein Kontrahierungszwang konstruiert werden. Diese schränkten ihre Privatautonomie nicht ein. Ferner unterlägen Postwurfsendungen keinerlei Regulierungen. Ein Verstoß ...

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