Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung. Eigentumserlangung durch den Erwerber eines unrichtig zu Volkseigentum erklärten Grundstücks

 

Leitsatz (amtlich)

§ 8 VZOG i.d.F. des WoModSiG ist verfassungskonform so auszulegen, daß bei der Verfügung über ein Gründstück, an dem mangels Erbrecht des Fiskus kein „Eigentum des Volkes” entstanden war, der Erwerber zumindest dann nicht Eigentum erlangt, wenn er mit dem Verfügungsberechtigten wirtschaftlich identisch ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 8 VZOG i.d.F. des WoModSiG ist verfassungskonform so auszulegen, daß bei der Verfügung über ein Gründstück, an dem mangels Erbrecht des Fiskus kein „Eigentum des Volkes” entstanden war, der Erwerber zumindest dann nicht Eigentum erlangt, wenn er mit dem Verfügungsberechtigten wirtschaftlich identisch ist.

 

Normenkette

VZOG § 8; WoModSiG Art. 2 Abs. 1 Nr. 4; EGBGB Art. 237 § 1; Einigungsvertrag § 22 Abs. 4 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 03.07.1996; Aktenzeichen 3 O 0426/96)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts … vom 03. Juli 1996 abgeändert:

Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. DM 30.000,00 abzuwenden, wenn nicht zuvor die Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Sicherheiten können auch durch unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines in der Europäischen Gemeinschaft als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstitutes erbracht werden.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschwer der Beklagten und Streitwert der Berufung: bis DM 45.000,00.

 

Tatbestand

Die Kläger sind die Erben ihres am 08. Juli 1997 verstorbenen Vaters …. Der Vater der Kläger hatte von der Beklagten gem. § 985 BGB die Herausgabe des Grundstückes … in … verlangt. Frühere Eigentümerin des Grundstücks war …, die 1969 gestorben ist. Sie wurde vom Vater der Kläger beerbt, nachdem andere Erben die Erbschaft ausgeschlagen hatten. Der Vater wurde am 21. September 1995 als Eigentümer des Grundstückes im Grundbuch eingetragen.

Das Grundstück war zuvor am 13. Januar 1971 im Grundbuch als „Eigentum des Volkes” bezeichnet worden, nachdem durch später aufgehobenen Beschluß des Staatlichen Notariats … vom 02. Dezember 1970 zu Unrecht festgestellt worden war, Erbe der Frau … sei die DDR. Dadurch wurde das Grundstück dem VEB Kommunale Wohnungsverwaltung … zugeordnet. Dieser VEB wurde Eigenbetrieb der Stadt …. Die Stadt nahm deshalb das Grundstück gem. Art. 22 Abs. 4 EV in Anspruch. Sie gründete die Beklagte durch Umwandlung des VEB nach § 58 UmwG a.F. und ist alleinige Gesellschafterin der Beklagten. Das Grundstück ist in der Anlage zur notariellen Umwandlungsurkunde aufgeführt, die alle zu übertragenden Grundstücke enthält.

Nach Klagerhebung hat die Beklagte dem Vater der Kläger das Grundstück herausgegeben. Er hat daraufhin beantragt,

festzustellen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: Die Umwandlung sei eine Verfügung i.S.v. § 8 VZOG. Dadurch habe sie das Eigentum am Grundstück erworben. Es komme nicht darauf an, daß die Stadt … nicht Eigentümerin war. Gemäß § 8 VZOG habe die Stadt … als Verfügungsbefugte die Rechtsmacht gehabt, über nicht entstandenes Volkseigentum rechtswirksam zu verfügen. Bei der Herausgabe des Grundstücks sei ausdrücklich vereinbart worden, daß sie dadurch ihr Eigentum am Grundstück nicht aufgibt, sondern daß die Frage des Eigentums der endgültigen vertraglichen, behördlichen oder gerichtlichen Klärung vorbehalten bleibt.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 03. Juli 1996 abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung des Vaters der Kläger. Er ist der Auffassung, er habe das Eigentum am Grundstück nicht verloren.

Die Kläger, die den Rechtsstreit aufgenommen haben, beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, daß der Rechtsstreit erledigt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Deshalb ist das Urteil des Landgerichts, durch das die Feststellungsklage abgewiesen wurde, mit der Berufung anfechtbar.

Die Berufung ist auch begründet. Die Feststellungsklage war gem. § 256 ZPO zulässig. Auch die auf § 985 BGB gestützte Herausgabeklage war bis zur Herausgabe, dem erledigenden Ereignis, zulässig und begründet. Der Vater der Kläger ist durch Erbfolge Eigentümer des Grundstückes geworden. Er hat dieses Eigentum zu keinem Zeitpunkt verloren. Die Beklagte war ihm gegenüber nicht zum Besitz berechtigt.

1. Der Eigentümer eines Grundstückes hat sein Eigentumsrecht nach DDR-Recht nicht dadurch verloren, daß ein unrichtiger, später aufgehobener und eingezogener Erbschein ausgestellt worden war, aufgrund dessen das Grundstück zu Unrecht zum „Eigentum des Volkes” erklärt wurde. Auch am 3...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge