Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 1979/17)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 20.07.2017, Az. 6 O 1979/17, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung der durch das Landgericht zugesprochenen Mietwagenkosten in Höhe von 6.622,77 EUR gemäß §§ 398 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 7 Abs. 1 StVG. Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer der in den einzelnen Schadensfällen jeweiligen Unfallgegner dem Grunde nach zu 100 % ist unstreitig.

Die durch die Klägerin aus abgetretenem Recht geltend gemachten weiteren Mietwagenkosten sind nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlich anzusehen.

Die Grundsätze zur Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung hat das Landgericht zutreffend wiedergegeben. Erforderlich sind die Mietwagenkosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot kann der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis als objektiv erforderlich ersetzt verlangen. Die Miete ist demgemäß grundsätzlich nur bis zur Höhe des sog. Normaltarifs erstattungsfähig (so in st. Rspr. der BGH, Urteil vom 05.03.2013, Az. VI ZR 245/11, juris; Urteil vom 14.02.2006, Az. VI ZR 126/05, juris; Urteil vom 04.07.2006, Az. VI ZR 2375/05, juris).

Diesen "Normaltarif" kann der Tatrichter in Ausübung seines Ermessens gemäß § 287 ZPO durch Heranziehung von Listen und Tabellen zur Schadensermittlung schätzen. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor, die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen dürfen nicht außer Betracht bleiben. Der BGH hat wiederholt entschieden, dass in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO der Normaltarif sowohl auf der Grundlage der Schwacke-Liste als auch des Fraunhofer-Mietpreisspiegels ermittelt werden kann. Eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen (sog. "Fracke") hat er ebenso nicht als rechtsfehlerhaft erachtet (BGH, Urteil vom 12.04.2011, Az. VI ZR 300/09, juris; Urteil vom 18.05.2010, Az. VI ZR 293/08, juris). Der BGH hat dabei mehrfach betont, dass allein der Umstand, dass diese Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, nicht genügt, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen (so z. B. BGH, Urteil vom 12.04.2011, Az. VI ZR 300/09, juris, Rn. 17). Die Eignung von Listen oder Tabellen bedarf vielmehr nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass detailliert geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH, Urteil vom 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, juris, Rn. 11 m.w.N.).

Auf die in der obergerichtlichen Rechtsprechung und auch innerhalb des Oberlandesgerichts Dresden höchst umstrittene Frage, aufgrund welcher Liste der ersatzfähige Normaltarif zu schätzen ist (vgl. zum Meinungsstand die Darstellung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015, Az. 1 U 42/14, juris, Rn. 25 ff.), kommt es vorliegend indes nicht an, so dass dahinstehen kann, ob die von dem Senat bislang bei der Schadensermittlung als Schätzgrundlage für den Normaltarif herangezogene Schwacke-Liste aufgrund der Veränderungen der allgemeinen Mietwagen-Marktpreisentwicklung und des Mietwagenmarktes dahingehend, dass ein Vergleich der Mietwagenkosten über das Internet mittlerweile als allgemein zugänglich bezeichnet werden muss, zur Schätzung des Normaltarifes gemäß § 287 ZPO auch weiterhin geeignet ist. Denn nach der Rechtsprechung des BGH verstößt der Geschädigte auch bei Anmietung eines Kraftfahrzeuges zu einem gegenüber dem Normaltarif teureren Mietwagenpreis nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn der Mehrbetrag entweder aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt war oder ein günstigerer Normaltarif für den Geschädigten nicht ohne weiteres zugänglich war. Kann der Geschädigte darlegen und beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten unter zumutbaren Anstrengungen kein wesentlich günstigerer Tarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Mietwagenmarkt zumindest auf Nachfrage zugänglich gewesen ist...

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