Leitsatz (amtlich)
Zur Anfechtungsfrist für eine Anfechtungsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse einer GmbH.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 02 HK O 292/19) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten und der Nebenintervenientin wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 09.10.2019, 2 HK O 292/19, aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird 100.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beklagte und ihre Streithelferin wenden sich gegen ein Urteil des Landgerichts Leipzig, mit dem dieses einer Anfechtungsklage des klagenden Insolvenzverwalters gegen einen Gesellschafterbeschluss über die Zwangsabtretung eines Anteils im Nennwert von 7.000 EUR von dem insgesamt von der Schuldnerin gehaltenen Geschäftsanteil im Nennwert von 10.000 EUR an der beklagten Gesellschaft stattgegeben hat.
Bei der Beklagten handelt es sich um eine GmbH mit Sitz in L ..., die mit Gesellschaftsvertrag vom 26.07.2010 gegründet wurde. Der Gesellschaftsvertrag wurde am 01.03.2011 geändert. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, die Projektierung, Erschließung, Vermarktung und Realisierung des Bauvorhabens J ... M ...-H ... und alle damit verbundenen Tätigkeiten, insbesondere der Handel oder die Vermittlung von Immobilien sowie die Vorbereitung und Durchführung des Bauvorhabens als Bauträger. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.000,00 EUR. Gemäß § 8.5 des Gesellschaftsvertrags (Anlage K5, im Folgenden: GV) gewährt je 1 EUR eines Geschäftsanteils eine Stimme. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden mit einer Mehrheit von mehr als 75 % der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit gesetzlich kein höherer Wert vorgeschrieben ist. Für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters sieht die Satzung der Beklagten die Möglichkeit der Einziehung der Geschäftsanteile des insolventen Gesellschafters vor. Die betreffenden Regelungen in der Satzung lauten:
"15.2 Die Einziehung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung ist zulässig, wenn ...
b. über das Vermögen des Gesellschafters ein Insolvenzverfahren eröffnet ... wird.
...
15.4 Die Einziehung wird durch Gesellschafterversammlung beschlossen. .... Der Beschluss bedarf der Einstimmigkeit der abgegebenen Stimmen. Dabei hat der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht.
...
15.6 Statt der Einziehung eines Geschäftsanteils kann die Gesellschafterversammlung beschließen, dass der betroffene Gesellschafter seinen Geschäftsanteil ganz oder geteilt an die Gesellschaft, an einen oder mehrere andere Gesellschafter oder an einen oder mehrere Dritte abzutreten hat. ..."
§ 16 GV regelt die Einziehungsvergütung. § 8 GV bestimmt, dass Gesellschafterversammlungen mit einer Frist von mindestens zwei Wochen unter Angabe der Tagesordnung einzuberufen sind. Beschlussfähigkeit besteht, wenn alle Gesellschafter anwesend oder vertreten sind. Kommt eine beschlussfähige Gesellschafterversammlung nicht zustande, ist auf Verlangen der Geschäftsführung oder eines Gesellschafters eine neue Gesellschafterversammlung mit derselben Tagesordnung einzuberufen, die ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Stammkapitals beschlussfähig ist, wenn in der Einladung hierauf ausdrücklich hingewiesen wurde und die neue Gesellschafterversammlung nicht später als sechs Wochen nach der nicht beschlussfähigen Versammlung stattfindet.
Die Geschäftsanteile an der Beklagten wurden mit den laufenden Nummern 3 bis 25.002 versehen. Jedenfalls seit dem 25.01.2018 hält die F ... GmbH (im Folgenden auch: Schuldnerin) mit Sitz in Ulm die Anteile mit den Nummern 3 bis 10.002; dies entspricht 40 % des Stammkapitals. Die Anteile mit den Nummern 10.003 bis 18.127 hält die V ... GmbH mit Sitz in L ...; dies entspricht 32,5 % des Stammkapitals. Die Geschäftsanteile mit den Nummern 18.128 bis 25.002 hält die M ... AG, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in S ... in der Schweiz; dies entspricht 27,5 % des Stammkapitals. Die V ... GmbH firmierte um in S ... GmbH, L ... (im Folgenden einheitlich: S ... GmbH). Geschäftsführer der Beklagten ist H ... B ..., der auch Geschäftsführer der S ... GmbH ist.
Bereits mit Vertrag vom 01.03.2011 hatte die Schuldnerin der Beklagten ein Gesellschafterdarlehen über 13 Mio. EUR gewährt. Kurz vor einem Insolvenzantrag über das Vermögen der Schuldnerin vereinbarte diese mit der Beklagten einen qualifizierten Rangrücktritt des Darlehens. Mit Beschluss vom 16.02.2018 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger hat die o.g. Vereinbarung des qualifizierten Nachrangs angefochten; d...