Leitsatz (amtlich)
1. Fehlt in einem Beitragserhöhungsschreiben in der Privaten Krankenversicherung die Angabe, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, ist die Erhöhung formell unwirksam.
2. Der sich hieraus ergebende Bereicherungsanspruch entfällt auch nicht dadurch, dass der Vertrag von einer Gruppen- auf eine Einzelversicherung umgestellt wird.
3. Wird die erforderliche Begründung später nachgeholt, wird hierdurch die für die Neufestsetzung angeordnete Frist in Lauf gesetzt.
4. Es reicht aus, wenn sich die erforderlichen Angaben aus einer Zusammenschau der übersandten Unterlagen ergeben; es ist nicht erforderlich, dass diese im Erhöhungsschreiben selbst enthalten sind.
5. Mit Erhalt des jeweiligen Anpassungsschreibens ist auch dann die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis gegeben, wenn der Versicherungsnehmer in Unkenntnis über die Rechtslage ist.
6. Eine auf der Grundlage von § 8b Abs. 1 MB/KK vorgenommene Beitragserhöhung ist wirksam.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 2453/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichtes Dresden vom 26.08.2021 - 8 O 2453/21 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Es wird festgestellt, das folgende Neufestsetzung der Prämien in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer KV 000000000 unwirksam sind:
in den Tarifen für F... K... und A... K...
im Tarif V... die Erhöhungen zum 01.04.2013 in Höhe von jeweils 14,37 EUR und der Kläger nicht zur Zahlung der Erhöhung verpflichtet war.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 172,44 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.01.2021 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil in der Zeit vom 01.01.2017 bis 08.01.2021 gezogen hat, den der Kläger auf die unter Ziffer 1 genannte Prämienerhöhung gezahlt hat.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten der ersten Instanz trägt der Kläger. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 94% und die Beklagte zu 6%.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.730,18 EUR und der des landgerichtlichen Verfahrens auf 7.175,37 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen seiner Krankenversicherung sowie seiner Krankentagegeldversicherung für sich und der bei ihm mitversicherten Kinder sowie die Rückzahlung bereits entrichteter Beiträge.
Folgende Erhöhungen stehen im Streit:
In den Tarifen für den Kläger:
1. V... zum 01.04.2013 in Höhe von 47,89 EUR (Schwellenwertüberschr. von 8,5 %), R... zum 01.04.2013 in Höhe von 4,99 EUR
2. V... zum 01.04.2014 in Höhe von 4,73 EUR, R... zum 01.04.2014 in Höhe von 0,31 EUR (Schwellenwertüberschreitung 8,6 %)
3. T... zum 01.04.2016 in Höhe von 9,20 EUR, R... zum 01.04.2016 in Höhe von 5,33 EUR
4. V... zum 01.04.2016 in Höhe von 79,98 EUR
5. Tarif T... zum 01.04.2017 in Höhe von 5,26 EUR.
Tarife für F... K...:
1. V... zum 01.04.2013 in Höhe von 14,37 EUR (Schwellenwertüberschreitung 8,5 %)
2. V... zum 01.04.2017 in Höhe von 0,96 EUR
Tarife für A... K...:
1. V... zum 01.04.2013 in Höhe von 14,37 EUR (Schwellenwertüberschreitung 8,5 %)
2. V... zum 01.04.2017 in Höhe von 0,96 EUR
Der Vertrag wurde von einer Gruppenversicherung zum 01.11.2015 auf eine Einzelversicherung umgestellt. Bei R10 handelt es sich um den gesetzlichen Zuschlag nach § 149 VAG. Der Vertrag wurde am 30.06.2017 beendet. Die Erhöhungen zum 01.04.2013 und 01.04.2014 erfolgten bei einer Schwellenwertüberschreitung von 8,5% bzw. 8,6%.
Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 12.02.2021 mitgeteilt, dass die Anpassungen aufgrund geänderter Leistungsausgaben erfolgt sind.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beitragserhöhungen seien formell unwirksam, denn die Erläuterungen seien zu allgemein gehalten. Die Prämienneufestsetzung sei auch materiell unwirksam, weil die Schwellenwertabweichung nicht den gesetzlich festgelegten Wert von 10% erreiche. Eine geringere Abweichung genüge nicht, da § 8 b MB/KK unwirksam sei. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und meint im Übrigen, dass die Mitteilungsschreiben ausreichend begründet seien. Jedenfalls sei § 8 b Abs. 1 MB/KK wirksam.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.08.2021 - auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird - abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint die Erhöhungen genügten den formellen Voraussetzungen nicht, denn die maßgeblichen Gründe seien nicht mitgeteilt worden. Darüber hinaus s...