Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 14.09.2005; Aktenzeichen 13 O 2266/05) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Leipzig vom 14.9.2005 - 13 O 2266/05, aufgehoben. Der Klageanspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
2. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt eine Entschädigung wegen Beeinträchtigungen ihres Gaststättenbetriebes infolge von Bauarbeiten der Beklagten.
Die Beklagten betreiben das Bauvorhaben "City-Tunnel L.". Sie stellen dabei eine Verbindung zwischen den Bahnhöfen Hauptbahnhof und Bayerischer Bahnhof unter der Innenstadt von L. her. Die Beklagten errichten zugleich mehrere unterirdische Haltestationen, eine davon am ... Marktplatz. Die geplante Gesamtbauzeit beträgt zwischen fünf und sechs Jahren.
Das Eisenbahn-Bundesamt stellte mit bestandskräftig gewordenem Planfeststellungsbeschluss vom 19.5.2000 (vgl. Anlagenheft "Schreiben Eisenbahn-Bundesamt vom 4.10.2007") die Zulässigkeit des Vorhabens "City-Tunnel L." fest.
Die im Jahr 2002 gegründete Klägerin betrieb seither in angemieteten Räumen des Alten Rathauses am ... Marktplatz ein Restaurant einschließlich eines hauptsächlich in den Arkaden des Rathauses gelegenen Außenbereichs ("Freisitz"). Die erheblichen Umbaukosten zur Herrichtung der Räumlichkeiten für einen Gastronomiebetrieb trug die Klägerin. Die Kosten sollten auf den Mietzins angerechnet werden. Zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt, spätestens jedoch in 2004, änderte die Klägerin ihr gastronomisches Konzept ("Touristen und Mittelstand" statt "Gehobene Gastronomie") wegen nicht erreichter Umsatzziele (vgl. auch K 2).
Die Bauarbeiten für den City-Tunnel begannen am Marktplatz im ersten Quartal 2004. Im selben Jahr gab es am Markt lärm- und schmutzintensive Bautätigkeiten auf weiteren Baustellen (Kaufhaus "Breuninger" auf der dem Alten Rathaus gegenüberliegenden, westlichen Seite des Marktes; Messehaus an der südlichen Seite des Marktes). Im Verlauf des Jahres 2005 wurde ein großflächiger Bereich des Marktplatzes von den Beklagten zur offenen Baugrube gemacht (vgl. auch Lichtbild K 13, Altes Rathaus rechts abgebildet). Die Klägerin holte im selben Jahr ein Privatgutachten zur Beurteilung der Geräuschimmissionen am Freisitz ein (K 9). Messungen fanden statt vom 9.8.2005 bis zum 15.8.2005. Nach Meinung des Privatgutachters, Herrn K., überschritten die Messwerte die Grenzwerte der TA-Lärm erheblich. Im zweiten Quartal 2006 wurde die Baugrube mit Ausnahme des nördlichen Bereichs wieder geschlossen. Die Arbeiten wurden allerdings nicht ausschließlich unterirdisch fortgesetzt. Ein Fahrweg für den Abtransport des immensen Erdaushubes führte unmittelbar vor dem Freisitz vorbei.
Die Klägerin behauptet, erhebliche Umsatzeinbußen auch infolge von Zugangsbehinderungen, Lärm- und Schmutzimmissionen seit 2004 aufgrund der Bauarbeiten am "City-Tunnel" erlitten zu haben. Hinsichtlich der Einzelheiten der von der Klägerin behaupteten Beeinträchtigungen wird Bezug genommen auf den Tatbestand der landgerichtlichen Entscheidung.
Die Klägerin behauptet weiter, konjunkturbedingte Einbußen in den Jahren 2004 und 2005 würden nur zwischen 4 % und 7 % des Gesamtumsatzes liegen.
Als "Mindestschaden" hatte die Klägerin erstinstanzlich eine Ertragsminderung von 107.349,62 EUR für die Monate Januar 2004 bis September 2004 geltend gemacht. Das LG hat die Klage mit Urteil vom 14.9.2005 abgewiesen, weil die Klägerin Baumaßnahmen für eine gewisse Toleranzzeit entschädigungslos hinzunehmen habe. Dies sei für den hier geltend gemachten Zeitraum von neun Monaten anzunehmen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.9.2005 zugestellte Urteil am 28.9.2005 Berufung eingelegt und diese am 14.11.2005 begründet. Die Klägerin vertieft und erweitert dabei ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie meint, entgegen der vom Senat geäußerten Auffassung (vgl. die Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 18.1.2006, nach GA I 104) habe der Planfeststellungsbeschluss keine grundsätzlich anspruchsausschließende Wirkung bezogen auf die Bautätigkeit der Beklagten. Die Klägerin sei insoweit auch nicht auf die Möglichkeit einer Planergänzung zu verweisen. Jedenfalls aber seien, soweit der Planfeststellungsbeschluss überhaupt Vorgaben enthalte, diese von den Beklagten verletzt worden.
Insbesondere seien die Grenzwerte zum Lärmschutz nicht eingehalten. Der Bereich "Marktplatz" sei in diesem Zusammenhang zu bewerten als Gebiet, in dem weder die gewerbliche Nutzung noch die Nutzung für Wohnungen überwiege.
Die Beklagten hätten sich außerdem von ihrem eigenen Bauablaufplan weit entfernt und würden sich immer noch weiter davon entfernen. Sie hätten damit gegen die Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses verstoßen. Die "theoretische Planung" aus den 90er Jahren weiche von der praktischen Durchführung erheblich ab. Die Bauarbeiten am Marktplatz hätten bereits 2003 abgeschlossen sein sollen. Hierzu beruft sich die Klägerin auf eine von der S. T ... L. GmbH Planungsgesellschaft in Auftrag gegebene Planung (K 5...