Leitsatz (amtlich)
Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament einander gegenseitig zu Erben eingesetzt, ohne einen Schlusserben zu bestimmen, was regelmäßig dafür spricht, dass der Überlebende über das Gesamtvermögen auch von Todes wegen frei sollte verfügen können, so kann die Anordnung "Sollten wir beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben, so erbt ..." auch den Fall erfassen, dass der Überle-bende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist (hier wurden die Eheleute in ihrer Wohnung gemeinsam tot aufgefun-den und ist die an Demenz leidende Ehefrau wenige Tage nach ihrem Ehemann ver-storben, weil sie sich nicht selbst versorgen konnte).
Normenkette
BGB §§ 133, 2084, 2265, 2353
Verfahrensgang
AG Oberhausen (Aktenzeichen 6 VI 627/13) |
Tenor
Auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 wird der angefochtene Beschluss geändert.
Die Erbscheinsanträge der verstorbenen, vom Beteiligten zu 1 beerbten, Antragstellerin E. G. vom 1.7.2013 werden zurückgewiesen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 84.000 EUR.
Gründe
I. Die zwischen dem 27.6. und 4.7.2012 verstorbenen Erblasser wurden am 4.7.2012 in ihrer gemeinsamen Wohnung tot aufgefunden.
Nach den Ermittlungen der Polizei und den Angaben des Dr. B. ist der Erblasser kurze Zeit vor seiner Ehefrau gestorben.
Die zwischenzeitlich verstorbene Antragstellerin E. G., die von ihrem Ehemann, dem Beteiligten zu 1, beerbt worden ist, sowie der Beteiligte zu 3 sind leibliche Abkömmlinge der Erblasserin; die Beteiligte zu 2 ist die Tochter des Erblassers.
Die Erblasser haben am 18.1.1983 ein eigenhändiges Ehegattentestament errichtet, das von der Stadtsparkasse Oberhausen am 7.5.2013 bei dem Nachlassgericht zur Eröffnung eingereicht wurde und wie folgt lautet:
"Oberhausen, den 18.1.1983
Testament!
Für den Fall, dass ich vor meiner Frau sterbe, vererbe ich ihr meinen gesamten Nachlass.
Für den Fall, dass meine Frau vor mir stirbt, erbe ich ihren gesamten Nachlass.
Sollten wir beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben, so erbt das auf meinem Sparkonto befindliche Geld meine Tochter H. T..
Das auf dem Konto meiner Frau befindliche Geld, sollen die Kinder meiner Frau E. G. und A. M. zu gleichen Teilen bekommen.
Allen anderen in der Wohnung befindlichen Nachlass, einschließlich Auto, Garage und Keller soll zu gleichen Teilen an die aufgeführten Erben gehen.
Die Kosten der Bestattung hat der bzw. die jeweiligen Erben zu tragen.
Dieses Testament wurde in beiderseitigem Einverständnis gemacht!
F. K.
S. K."
Der Beteiligte zu 3 hatte die Erbschaft nach seiner Mutter durch notarielle Urkunde vom 23.8.2012 ausgeschlagen. Diese Ausschlagung hat er am 10.7.2013 vor dem Rechtspfleger des AG Geldern angefochten und trägt dazu vor, seine Ausschlagung sei wegen des später aufgefundenen Testaments vom 18.1.1983 gegenstandslos. Überdies habe ihm seine Schwester E. G. bewusst wahrheitswidrig vorgespiegelt, dass der Nachlass überschuldet sei. Er sei von ihr dazu gedrängt worden, noch am Tage der Beerdigung den von ihr organisierten Notartermin zur Abgabe seiner Erklärung wahrzunehmen. Über die Bedeutung und Reichweite seiner Erklärung habe ihn der Notarvertreter H. nicht belehrt. Erst später habe er von dem Testament seiner Mutter Kenntnis erlangt; bei Kenntnis dieses Umstandes hätte er die Erbschaft niemals ausgeschlagen.
Der Beteiligte zu 1 hat als Ehemann und Erbe der verstorbenen Antragstellerin die Ausstellung zweier Erbscheine beantragt, die zum einen die Erblasserin als alleinige Erbin des zuerst verstorbenen Erblassers sowie seine verstorbene Ehefrau als Alleinerbin der nachverstorbenen Erblasserin ausweisen.
Der Beteiligte zu 3 ist dem entgegen getreten und hat geltend gemacht, er habe nach Anfechtung seiner Ausschlagungserklärung die nachverstorbene Erblasserin gemeinsam mit seiner zwischenzeitlich verstorbenen Schwester E. G. beerbt.
Die Beteiligte zu 2 hat sich ebenfalls gegen den Antrag gewandt und geltend gemacht, sie habe ihren Vater, den Erblasser, allein beerbt, da infolge des gleichzeitigen Versterbens der Ehegatten die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.
Das AG hat mit Beschluss vom 26.5.2014 die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der zwischenzeitlich verstorbenen Antragstellerin E. G. erforderlich sind, für festgestellt erachtet und im Wesentlichen ausgeführt:
Nach dem eigenhändigen Ehegattentestament vom 18.1.1983 sei der zuerst verstorbene Erblasser von seiner Ehefrau allein beerbt worden. Obwohl die Sterbeurkunden beider Erblasser denselben Todeszeitraum ausweisen, seien sie nicht gleichzeitig verstorben, so dass - entgegen der Meinung der Beteiligten zu 2 - nach dem Ehemann nicht die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Von einem gleichzeitigen Tod könne in erbrechtlicher Hinsicht nur dann die Rede sein, wenn die untereinander erbberechtigten Personen im gleichen Bruchteil einer Sekunde, also zur selben Zeit den Tod gefunden haben. Nach den eindeutigen und widerspruchsfreien Feststellungen der ermittelnden Polizeibeamten ...