Leitsatz (amtlich)
›1. Über eine Klageerweiterung nach Schluß der mündlichen Verhandlung kann ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht entschieden werden. Eine solche Klageerweiterung führt daher nicht zu einer Erhöhung des Streitwertes.
2. Der Streitwert erhöht sich nicht um den Wert der Hilfsaufrechnung, wenn zwar das Landgericht über die Hilfsaufrechnung entscheidet, das Berufungsgericht aber die Klageforderung für unbegründet erachtet.‹
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 6 O 278/99) |
Gründe
Die Beklagte war Gläubigerin einer in notarieller Urkunde titulierten Kaufpreisforderung von 650.000 DM. Nachdem sie sich eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde in Höhe des vollen Betrages hatte erteilen lassen, teilte sie den Schuldnern mit, sie werde - nur - in Höhe von 250.000 DM vollstrecken. Daraufhin erhoben die Schuldner insoweit
Zwangsvollstreckungsgegenklage und beriefen sich auf Erfüllung.
Nachdem die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits auch bezüglich der restlichen 400.000 DM die Erfüllung bestritten hatte, haben die Kläger nach Schluß der mündlichen Verhandlung die Zwangsvollstreckungsgegenklage entsprechend erweitert.
Gegenüber einer Hilfsaufrechnung der Kläger in Höhe von 260.000 DM hat die Beklagte ihrerseits vorsorglich aufgerechnet mit einer Forderung in Höhe von 117.333,33 DM.
Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckungsgegenklage abgewiesen, weil weder erfüllt noch die Hilfsaufrechnung begründet sei; über die Klageerweiterung hat das Landgericht nicht entschieden. Auf die Berufung der Kläger hat der Senat das landgerichtliche Urteil geändert und die Zwangsvollstreckung der Beklagten für unzulässig erklärt, weil die Kaufpreisforderung insgesamt erfüllt sei.
Das Landgericht hat den Streitwert für die erste Instanz festgesetzt auf 250.000 DM. Der Beschwerde des Bezirksrevisors, der die Festsetzung des Streitwerte auf 767.333,33 DM, hilfsweise auf 650.000 DM begehrt, hat es nicht abgeholfen.
Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht den Wert des Streitgegenstandes für das verfahren erster Instanz (Gebührenstreitwert) auf 250.000 DM festgesetzt.
Die Klageerweiterung um 400.000 DM nach Schluß der mündlichen Verhandlung erhöht den Streitwert des Verfahrens erster Instanz nicht.
Grundsätzlich führt zwar die Klageerweiterung zu einer Streitwerterhöhung vom Zeitpunkt des Einreichen des Antrags an, § 15 GKG (Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 3, 16 "Klageerweiterung"; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rdnr. 704). Gemäß § 61 GKG wird bei einer Klageerweiterung die allgemeine Verfahrensgebühr nach Kostenverzeichnung Nr. 1201 fällig mit Eingang des die Erweiterung enthaltenden Schriftsatzes bei Gericht (Österreich/Winter/ Hellstab, GKG, 5.0, Nr. 1201, Rdnr. 21).
Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Klage erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung erweitert und hierüber nicht mehr verhandelt worden ist.
In Rechtsprechung und Literatur wird die Frage, wie geänderte, neue oder erweiterte Klage- oder Widerklageanträge nach Schluß der mündlichen Verhandlung zu behandeln sind, unterschiedlich beantwortet. Einig ist man darüber, dass solche Anträge unzulässig sind (BGH NJW 2000, 2512, 2513; BGH NJW-RR 1997, 1486; BGH NJW-RR 1992, 1085; HansOLG Hamburg, MDR 1995, 526; wohl auch OLG München, MDR 1981, 502, 503; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 296 a, 15; Zöller/Greger, a.a.O., § 296 a, 2). Dies folgt nach einhelliger Auffassung aus § 256 Abs. 2, 261 Abs. 2, 297 ZPO. Insbesondere aus § 297 ZPO ergibt sich, dass Sachanträge, wenn sie Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sein sollen, in der mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen (BGH NJW-RR 1992, 1085; Stein/Jonas/Leipold, a.a.O.). Wie mit solchen unzulässigen Anträgen umzugehen ist, wird jedoch nicht einheitlich beantwortet. Dies gilt für die Frage, ob solche Anträge zuzustellen sind (nein: Zöller/Greger, a.a.O., § 296 a, 2; Fischer NJW 1994, 1315, 1316; HansOLG Hamburg, MDR 1995, 526; ja: Stein/Jonas/Leipold, a.a.O., 16), ob sie nach Zustellung als rechtshängig zu behandeln sind (nein: BGH NJW-RR 1997, 1486; HansOLG Hamburg, MDR 1995, 526; Stein/Jonas/Leipold, a.a.O.; Zöller/Greger, a.a.O.; ja: OLG München, MDR 1991, 502, 503) und schließlich für die Frage, ob über diese Anträge ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung entschieden werden kann (offen gelassen in BGH NJW 2000, 2512, 2513; nein: BGH NJW-RR 1997, 1486; Stein/Jonas/Leipold, a.a.O.; Zöller/ Greger, a.a.O.; Fischer, a.a.O.; ja, nämlich Abweisung als unzulässig: BGH NJW-RR 1992, 1085). Nach Auffassung des Senates kommt ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung jedenfalls eine Entscheidung über geänderte oder neue Klage- oder Widerklageanträge grundsätzlich nicht in Betracht, auch nicht durch Abweisung als unzulässig. Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung ist das Ergebnis der mündlichen Verhandlung. Auf Umstände nach Schluß der mündlichen Verhandlung kann und darf das Gericht seine Entscheidung grundsätzlich nicht me...