Leitsatz (amtlich)
1.
Gegen die Ablehnung der Erstreckung der Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung ist die Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO zulässig, wobei dem Pflichtverteidiger ein eigenes Beschwerderecht zusteht.
2.
Für die nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG zu treffende Entscheidung ist die Strafkammer funktionell zuständig, nicht der Vorsitzende allein.
3.
Hat der Vorsitzende an Stelle der funktionell zuständigen Strafkammer die Erstreckung der Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung abgelehnt, erlässt der Beschwerdesenat des Oberlandesgerichts als das auch der Strafkammer übergeordnete Beschwerdegericht die in der Sache erforderliche Entscheidung gemäß § 309 Abs. 2 StPO selbst.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Entscheidung vom 22.01.2007; Aktenzeichen 25 KLs 13/06 V (vormals 22 KLs 30/06 II)) |
LG Wuppertal (Entscheidung vom 22.01.2007; Aktenzeichen 25 KLs 14/06 V) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt M.F. in W. werden auf das hinzuverbundene Verfahren Landgericht Wuppertal 25 KLs 14/06 V erstreckt.
Gründe
I.
In dem Verfahren Landgericht Wuppertal 25 KLs 13/06 V (vormals 22 KLs 30/06 II) ist Rechtsanwalt M.F. in W. am 29. September 2006 zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt worden. Mit Beschluss vom 12. Januar 2007 hat die 5. große Strafkammer dieses Verfahren mit dem - ebenfalls von der 2. großen Strafkammer übernommenen - Verfahren 25 KLs 14/06 V verbunden. Mit Beschluss vom 22. Februar 2007 hat der Vorsitzende der 5. großen Strafkammer den Antrag des Angeklagten abgelehnt, die Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung gemäß § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG auf das hinzuverbundene Verfahren Landgericht Wuppertal 25 KLs 14/06 V, in dem der Pflichtverteidiger (noch) nicht beigeordnet war, zu erstrecken. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, welche in der Sache Erfolg hat.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig. Gegen die Ablehnung der Erstreckung der Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG sieht das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz keinen besonderen Rechtsbehelf vor. Für die Anfechtung des die Erstreckung ablehnenden Beschlusses gelten daher die allgemeinen Regeln (vgl. Burhoff RVGreport 2004, 411).
Der Senat sieht die Beschwerde im vorliegenden Fall als durch den Angeklagten eingelegt an. Zwar hat der Pflichtverteidiger die Beschwerde nicht ausdrücklich im Namen des Angeklagten angebracht. Jedoch entnimmt der Senat der gewählten Passivform ("wird Beschwerde ... eingelegt") in Verbindung mit dem Begehren, "dem Antrag des Angeklagten" auf Erstreckung der Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung zu entsprechen, dass der Angeklagte selbst der Beschwerdeführer ist.
Im übrigen bemerkt der Senat, dass dem Pflichtverteidiger im Falle des § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ein eigenes Beschwerderecht zusteht. Zwar hat der Pflichtverteidiger kein eigenes Beschwerderecht gegen die Ablehnung seiner Beiordnung als Pflichtverteidiger (vgl. OLG Düsseldorf StraFo 2000, 414; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 141 Rdn. 10 m.w.N.). Bei der Erstreckung der Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung auf ein hinzuverbundenes Verfahren geht es indes allein um vergütungsrechtliche Folgen. Ebenso wie bei einer Beschränkung auf die Vergütung eines ortsansässigen Rechtsanwaltes kann der Pflichtverteidiger deshalb auch im eigenen Namen Beschwerde gegen die Ablehnung der Erstreckung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG einlegen (vgl. Burhoff a.a.O.). Es erscheint nicht sachgerecht, den Pflichtverteidiger insoweit auf die eigenen Rechtsbehelfe im Festsetzungsverfahren (§ 56 RVG) zu verweisen, wenn der Angeklagte im Erkenntnisverfahren selbst keine Beschwerde eingelegt hat. Auch wenn man davon ausgeht, dass über die Erstreckung noch im Festsetzungsverfahren entschieden werden kann (so LG Freiburg RVGreport 2006, 183), wäre das Gericht bzw. das Beschwerdegericht und nicht der gemäß § 55 Abs. 1 RVG mit der Festsetzung zunächst befasste Urkundsbeamte zur Entscheidung berufen.
III.
Der angefochtene Beschluss ist bereits deshalb aufzuheben, weil der Vorsitzende der Strafkammer für die getroffene Entscheidung funktionell nicht zuständig war. Jedoch führt diese (versehentliche) Verletzung der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung nicht zu einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1.
Nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG kann das Gericht bei der Verbindung von Verfahren die Wirkungen des Satzes 1 auf diejenigen Verfahren erstrecken, in denen vor der Verbindung keine Beiordnung oder Bestellung erfolgt war. Nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG obliegt die Entscheidung über die Erstreckung der Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung nicht dem Vorsitzenden, auch wenn dieser über die Bestellung des Pflichtverteidigers allein zu entscheiden hat (§ 141 Abs. 4 StPO). Der Senat sieht in diesen unterschiedlichen Zuständigkeitsregelungen kein Redaktionsversehen des Gesetzgebers. Denn die ...