Leitsatz (amtlich)
1. Haben die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann in einem notariellen Erbvertrag einander wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt, den aus erster Ehe stammenden Sohn des vorverstorbenen Ehemannes zum Alleinerben des Zuletztversterbenden bestimmt und festgehalten, dass sämtliche Bestimmungen des Erbvertrages bindend sein sollen, im Falle des Überlebens der Ehefrau die Bindungswirkung jedoch entfalle, wenn der Sohn oder einer seiner Nachkommen von ihr den Pflichtteil verlange, so stellt sich letztere Regelung als Bedingung für einen zugunsten der Erblasserin bestehenden Änderungsvorbehalt dar (hier: mit der Folge, dass sich die testamentarische Einsetzung ihrer Nichte zur Alleinerbin in Ermangelung eines nachgewiesenen Pflichtteilsverlangens als unwirksam erweist).
2. Die Einholung eines schriftvergleichenden Gutachtens zu der Frage der Echtheit der Unterschrift des Erblassers auf einer relevanten Erklärung kommt unter Beachtung des Grundsatzes zur Beweiserhebung nach pflichtgemäßem Ermessen nur in Betracht, wenn das Gericht - wie hier nicht der Fall - selbst Auffälligkeiten in Bezug auf die Echtheit einer Unterschrift (z.B. Abweichungen von Vergleichsunterschriften) feststellt.
Normenkette
BGB § 2289 Abs. 1 S. 2; FamFG § 29 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Kempen (Aktenzeichen 28 VI 401/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 16. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten zu 1 auferlegt.
Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 130.000,- EUR
Gründe
I. Die Erblasserin und ihr am 2. August 2002 vorverstorbener Ehemann schlossen am 19. Mai 1992 einen notariell beurkundeten Erbvertrag, mit welchem sie sich wechselseitig zu Alleinerben bestimmten. Weiter verfügten sie die Einsetzung des Beteiligten zu 2 - des aus erster Ehe stammenden Sohnes des vorverstorbenen Ehemannes - zum Alleinerben des Zuletztversterbenden. Unter § 4 des Erbvertrages hielten die Eheleute fest, dass sämtliche Bestimmungen des Erbertrages bindend seien; im Falle des Überlebens der Ehefrau solle die Bindungswirkung jedoch dann entfallen, wenn der Beteiligte zu 2 oder einer seiner Nachkommen von ihr seinen Pflichtteil verlange.
Mit handschriftlich errichtetem Testament vom 19. Mai 2003 setzte die Erblasserin die Beteiligte zu 1 - ihre Nichte - als ihre Alleinerbin ein. Dazu hielt die Erblasserin in ihrem Testament fest, der Erbvertrag vom 19. Mai 1992 sei nicht mehr bindend, da der Beteiligte zu 2 nach dem Tod ihres Ehemannes seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht habe.
Gestützt auf das handschriftliche Testament vom 19. Mai 2003 hat die Beteiligte zu 1 am 30. August 2019 die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt und dazu vorgebracht, am 13. Januar 2003 seien vom Konto der Erblasserin 30.000,- EUR an den Beteiligten zu 2 überwiesen worden. Dieser Betrag habe genau dem Betrag entsprochen, der ihm als Pflichtteil nach dem Tod des Ehemannes der Erblasserin zugestanden habe.
Der Beteiligte zu 2 hat dagegen gestützt auf den Erbvertrag vom 19. Mai 1992 am 7. Oktober 2019 die Erteilung eines ihn als Alleinerben ausweisenden Erbscheins beantragt. Er hat ausgeführt, die Erblasserin habe ihm im Jahr 2002 einen Betrag in Höhe von insgesamt 70.000,- EUR geschenkt. Die Schenkung und dass diese keinen Bezug zu § 4 des Erbvertrages vom 19. Mai 1992 habe, habe die Erblasserin in ihrer Erklärung vom 22. November 2002 schriftlich festgehalten. Einen ersten Teilbetrag von 40.000,- EUR habe er bereits im Jahr 2002 erhalten und bei dem am 13. Januar 2003 überwiesenen Betrag von 30.000,- EUR habe es sich um die zweite Rate zur Erfüllung des Schenkungsversprechens gehandelt.
Mit Beschluss vom 16. Januar 2020 hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des vom Beteiligten zu 2 beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Die Beteiligte zu 1 habe nicht ausreichend vorgetragen, dass der Beteiligte zu 2 den Pflichtteil nach dem Tod seines Vaters geltend gemacht habe. Die Überweisung von 30.000,- EUR sei durch die Erklärung der Erblasserin vom 22. November 2002 hinreichend als Schenkung erklärt; die dem entgegenstehende Erklärung der Erblasserin in ihrem Testament vom 19. Mai 2003 genüge nicht, um die Bindungswirkung des Erbvertrages entfallen zu lassen.
Gegen den ihr am 21. Januar 2020 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 20. Februar 2020, eingegangen am 21. Februar 2020. Sie bestreitet insbesondere die Echtheit der auf der Erklärung vom 22. November 2002 enthaltenen Unterschrift der Erblasserin.
Der Beteiligte zu 2 ist der Beschwerde entgegen getreten.
Das Nachlassgericht hat am 23. April 2020 einen Nichtabhilfebeschluss erlassen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Die Beteiligte zu 1 habe die Echtheit der Unterschrift der Erblasserin auf der Erklärung vom 22. November 2002 nicht ausreichend bestritten. Die...