Leitsatz (amtlich)
1. Auf Verfahren zur Erteilung von Erbscheinen und Testamentsvollstreckerzeugnissen nach einem vor dem 17.8.2015 (hier: 2011) verstorbenen Erblasser sind das Bürgerliche Gesetzbuch und das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
2. Die Rechtsnachfolge eines (2011) in Deutschland verstorbenen Niederländers, der vor seinem Tode seit mehr als fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, ohne mit den Niederlanden als dem Staat seiner Angehörigkeit enger als mit Deutschland verbunden gewesen zu sein, richtet sich nach deutschem Recht, ebenso wie die Aufgaben und Befugnisse eines von ihm ernannten Testamentsvollstreckers.
3. Ging der Erblasser bei Errichtung seines notariellen Testaments (1994) davon aus, dass Erbstatut das niederländische Recht sei und irrte er dabei insofern, als es, da er nach 1996 starb, infolge seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland tatsächlich das deutsche Recht ist ("Handeln unter falschem Recht"), so ist die - Institute des niederländischen Rechts heranziehende - letztwillige Verfügung des Erblassers unter der Regie deutschen Rechts auszulegen.
4. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein im Erbschein als Alleinerbe nach dem Erblasser ausgewiesener Beteiligter (hier die Ehefrau) regelmäßig nicht Testamentsvollstrecker über den eigenen Nachlass sein kann, rechtfertigt sich unter Umständen aus dem - fortgeltenden - Gesichtspunkt der Vorsorge (zur Zeit der Testamentserrichtung wurde in der niederländischen Rechtspraxis im Falle einer elterlichen Nachlassverteilung der überlebende Ehegatte als Testamentsvollstrecker nach niederländischem Recht vorsorglich eingesetzt, um auch bei im Ausland, namentlich in Deutschland, auftretenden Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Teilungsanordnung die gewünschte Vermögenszuordnung gewährleisten zu können.), mit der Folge, dass der Aufnahme eines Testamentsvollstreckervermerks in den Erbschein nichts entgegen steht.
5. Der Senat als Beschwerdegericht kann die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges auch dann nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zurückverweisen, wenn dieses sich infolge einer zur Begründetheit des Antrages gehörenden, jedoch aus seiner Sicht vorrangigen Frage an einer näheren Befassung mit der Sache selbst gehindert gesehen hat (hier hat das Nachlassgericht im Verfahren zur Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses - aus seiner Sicht folgerichtig - angenommen, es müsse sich mit der Sache selbst, namentlich der Prüfung einer möglicherweise inzwischen eingetretenen Gegenstandslosigkeit der Aufgaben des Testamentsvollstreckers, nicht näher befassen, weil es auf die Testamentsvollstreckung nicht mehr ankomme, da der Erbschein schon allein wegen der begehrten Stellung als Alleinerbe nicht erteilt werden könne).
Normenkette
EGBGB Art. 3a Abs. 2, Art. 4 Abs. 1 S. 2, Art. 25 Abs. 1, Art. 229 § 36; BGB § 1922 Abs. 1, §§ 2203, 2353, 2356 Abs. 1 S. 1, § 2364 Abs. 1, § 2368 Sätze 2, 2 1. HS; FamFG § 69 Abs. 1 S. 2; WCErf Art. 1, 3 Abs. 1-2, Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Kleve (Beschluss vom 07.11.2014; Aktenzeichen 17 VI 207/14) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die Anträge der Beteiligten vom 24.3.2014 nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe zu II. an das Nachlassgericht zurückverwiesen.
Gründe
I. Der Erblasser hatte - ausschließlich - die niederländische Staatsangehörigkeit. Er war mit der Beteiligten in einziger Ehe im Güterstand der Gütergemeinschaft niederländischen Rechts verheiratet. Aus der Ehe ist ein Sohn hervorgegangen; dieser hat im Verfahren vor dem Nachlassgericht mit Schreiben vom 26.8.2014 erklärt, er habe keine Einwendungen gegen die Erteilung des von der Beteiligten beantragten Erbscheins und Testamentsvollstreckerzeugnisses, auf weitere Benachrichtigungen im Erbscheinsverfahren verzichte er.
Am 9.5.1994 errichteten sowohl der damals in den Niederlanden wohnende Erblasser als auch die Beteiligte jeweils ein Testament vor einem Notar mit Amtssitz in den Niederlanden; die beiden Testamente sollen einander inhaltlich entsprechen. Nur die letztwillige Verfügung der Beteiligten liegt in deutscher Übersetzung vor. Danach werden - unter anderem - zu Erben zu gleichen Teilen der Ehepartner und die Kinder berufen, zugleich unter Bezugnahme auf Vorschriften des damaligen niederländischen Rechts eingehende Anordnungen zur Auseinandersetzung getroffen und der Ehepartner als Testamentsvollstrecker benannt.
Der in Kleve verstorbene Erblasser hatte vor seinem Tode seinen gewöhnlichen Aufenthalt für mehr als fünf Jahre in Deutschland. Sein Nachlass besteht unter anderem aus Grundbesitz in Kleve.
Mit notarieller Urkunde vom 24.3.2014 hat die Beteiligte beantragt, ihr einen Erbschein, wonach sie Alleinerbin nach dem Erblasser gewor...