Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Kindesentführung: Rückführung von Kindern zu ihrem gewöhnlichen früheren Aufenthaltsort in Finnland bei widerrechtlichem Verbringen nach Deutschland
Leitsatz (redaktionell)
1. Geschütztes Sorgerecht ist auch ein kraft (hier: finnischen) Gesetzes bestehendes Mitsorgerecht.
2. Liegen gegenläufige Rückführungsanträge nicht vor, befinden sich die Kinder somit nicht in einer besonders ausgeprägten Konfliktsituation, so bedarf es der Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht.
Normenkette
HKÜ Art. 11, 2 Nr. 11, Art. 3 Abs. 1a, Art. 4-5
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Beschluss vom 28.12.2007; Aktenzeichen 266 F 381/07) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - FamG - Düsseldorf vom 28.12.2007 - 266 F 381/07 - wird zurückgewiesen.
II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten trägt die Antragsgegnerin.
III. Das Prozesskostenhilfegesuch der Antragsgegnerin für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
IV. Für den Fall der Vollstreckung der Herausgabeanordnung gemäß dem Beschluss des AG - FamG - Düsseldorf vom 28.12.2007 - 266 F 381/07 - wird angeordnet:
1. In Vollzug der Herausgabeanordnung wird der zuständige Gerichtsvollzieher ermächtigt und beauftragt, die Kinder der Antragsgegnerin und/oder jeder anderen Person, bei der sich die Kinder aufhalten, wegzunehmen und dem Antragsteller oder einer von ihm be-stimmten Person zu übergeben.
2. Der zuständige Gerichtsvollzieher wird ermächtigt, zur Durchsetzung der Herausgabeanordnung unmittelbaren Zwang gegen die Antragsgegnerin oder jede andere aufgrund dieses Beschlusses herausgabeverpflichtete Person zu gebrauchen. Der Gerichtsvollzieher wird ferner ermächtigt und beauftragt, die Wohnung der Antragsgegnerin sowie die Wohnung jeder anderen Person, bei der sich die Kinder aufhalten, zu durchsuchen sowie die Unterstützung der Polizeibehörden in Anspruch zu nehmen.
3. Der zuständige Gerichtsvollzieher wird ermächtigt, zur Durchsetzung der Herausgabeanordnung den Widerstand der Kinder bei der Wegnahme zu überwinden, bzw. zu dulden, dass der Antragsteller oder die von ihm beauftragten Personen den Widerstand der Kinder überwinden, um sie an sich zu nehmen.
4. Die Vollstreckung der Herausgabeanordnung ist an jedem Ort möglich, an dem die Kinder aufgefunden werden.
5. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Herausgabe-anordnung die Verhängung eines Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 25.000 EUR so-wie die Festsetzung von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
V. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - FamG - Düsseldorf vom 28.12.2007 hat in der Sache keinen Erfolg.
Das AG hat zutreffend die Rückführung der im Tenor genannten gemeinsamen Kinder der Beteiligten zu 1. und 2. angeordnet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Rückführung der Kinder nach Finnland gem. Art. 11 der EG-Verordnung Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 (im Folgenden abgekürzt: Brüssel-IIa-VO) i.V.m. Art. 12 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (im Folgenden abgekürzt: HKÜ) sind vom AG zutreffend festgestellt worden.
1. Die Brüssel-IIa-VO und das HKÜ gelten für die Kinder der Beteiligten zu 1. und 2. Diese haben bis zum Entschluss der Antragsgegnerin, nach dem einwöchigen Urlaub nicht mehr nach Finnland zurückzukehren, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Finnland gehabt; die Kinder haben das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet (Art. 4 HKÜ).
2. Der mitsorgeberechtigte Antragsteller hat beim zuständigen AG - Familien-gericht - Düsseldorf (§ 12 Abs. 1 IntFamRVG) eine Entscheidung auf der Grundlage des HKÜ beantragt, um eine Rückführung der Kinder zu erwirken (Art. 11 Abs. 1 Brüssel-IIa-VO).
3. Die Antragsgegnerin hat die Kinder widerrechtlich i.S.v. Art. 2 Nr. 11 Brüssel-IIa-VO und Art. 3 HKÜ in der Bundesrepublik Deutschland festgehalten, indem sie diese nach dem Urlaubsaufenthalt nicht nach Finnland zurückgebracht sondern gegen den Willen des Antragstellers mit den Kindern ihren ständigen Aufenthalt in Oberhausen genommen hat. Sie hat hierdurch das Sorgerecht des Antragstellers verletzt.
Von den genannten Regelungen geschütztes Sorgerecht ist gem. Art. 5 Buchstabe a) HKÜ insbesondere das Recht zur Bestimmung des Aufenthalts des Kindes.
Nach art. 3 Buchstabe a) HKÜ ist ausreichend, wenn ein kraft Gesetzes bestehendes Mitsorgerecht besteht. Wie das BVerfG bereits in seiner Entscheidung vom 18.7.1997 (abgedruckt in FamRZ 1997, 1269, 1270 und NJW 1997, 3301, 3302) ausgeführt hat, bestehen gegen den Schutz des Mitsorgerechtes keine verfassungsrechtlichen Bedenken; vielmehr dient dessen Einbeziehung dem Kindeswohl wegen der Sicherstellung notwendiger Sorgerechtsentscheidungen am Ort des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes.
Den Beteiligten zu 1. und 2. steht nach §§ 6 Satz 1, 3 Satz 1, 4 Satz 2 des finnisch...