Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein marktbeherrschendes Oligopol auf ostdeutschem Tankstellenmarkt

 

Verfahrensgang

BKartA (Beschluss vom 29.04.2008; Aktenzeichen B 8-175/08)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 06.12.2011; Aktenzeichen KVR 95/10)

 

Tenor

I. Der Beschluss des BKartA vom 29.4.2008 (B 8-175/08) wird aufgehoben.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem BKartA auferlegt.

 

Gründe

I. Die T. GmbH,... (im Folgenden "T."), beabsichtigt, von der O. GmbH,... (im Folgenden "O."), 59 Tankstellenbetriebe, die sich in den Bundesländern Sachsen und Thüringen befinden, zu erwerben. T. meldete diesen Erwerbsvorgang mit Schreiben vom 5.12.2008 zugleich auch für O. beim BKartA an.

Die Beschwerdeführerinnen sind integrierte Mineralölunternehmen, die u.a. auf verschiedenen Stufen der Mineralölproduktion und des Mineralölvertriebs tätig sind. T. ist ein indirektes Tochterunternehmen der T. S. A., Frankreich. O. ist ein Tochterunternehmen der O. AG, Österreich. In Deutschland betreibt T. neben einem bundesweiten Tankstellennetz auch - allein oder mit anderen Unternehmen - verschiedene Raffinerien und Tanklager. O. ist in Deutschland insbesondere in Süd- und Ostdeutschland tätig und betreibt neben einem Tankstellennetz auch eine Raffinerie in Bayern. T. erzielte im Jahr 2007 weltweit einen Umsatz von ... Mrd. EUR, EG-weit einen solchen von ... Mrd. EUR und deutschlandweit einen Umsatz von ... Mrd. EUR (... Mrd. EUR ohne Energiesteuer). Der konsolidierte Umsatz der O.-Gruppe betrug im Jahr 2008 weltweit ... Mrd. Euro.

Das BKartA hat den Zusammenschluss durch Verfügung vom 29.4.2009 untersagt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass T. mit den Mineralölgesellschaften ... (im Folgenden "A ..."),... (im Folgenden "J ...")... (im Folgenden "E ...") auf den relevanten Märkten für den Vertrieb von Otto- und Dieselkraftstoffen ein marktbeherrschendes Oligopol i.S.d. § 19 Abs. 2 S. 2 GWB bilde, welches durch den beabsichtigten Erwerb von 59 Tankstellen verstärkt werde. Die marktbeherrschende Stellung sei auf fehlenden Binnenwettbewerb und stark eingeschränkten Außenwettbewerb zwischen den genannten Unternehmen zurückzuführen. Fehlender Binnenwettbewerb sei eine Folge hoher Marktanteile bei asymmetrischer Markttransparenz sowie eines hohen Vergeltungspotentials aufgrund vielfältiger Verflechtungen und wechselseitiger Abhängigkeiten im Erzeugungs-, Transport- und Lagergeschäft. Der Außenwettbewerb sei aufgrund der Zersplitterung der Konkurrenz sowie geringer Nachfragemacht stark eingeschränkt. Die überragende Marktstellung spiegele sich auch darin wieder, dass die genannten Mineralölgesellschaften auf den relevanten Regionalmärkten überwiegend die gesetzliche Vermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 GWB deutlich überträfen. Bei dem Erwerb weiterer 59 Tankstellen von O. sei damit zu rechnen, dass sich die bestehende marktbeherrschende Stellung des Oligopols weiter verfestige und verstärke.

T. und O. haben gegen die Verfügung des BKartA Beschwerde erhoben. Sie machen insbesondere geltend, dass der angemeldete Zusammenschluss bereits nicht der deutschen Fusionskontrolle unterfalle, jedenfalls aber die materiellen Untersagungsvoraussetzungen nach § 36 Abs. 1 GWB nicht vorlägen.

Die Umsatzschwellen nach § 35 GWB würden nicht erreicht. Das geplante Vorhaben stelle nicht einen einzigen Zusammenschluss durch den Erwerb von 59 Tankstellen dar, sondern erfasse 59 Zusammenschlüsse. Bei den zu erwerbenden Tankstellen handele es sich um 59 eigenständige Betriebe mit den hierzu jeweils erforderlichen Gegenständen des Anlage- und Betriebsvermögens. Keiner dieser Betriebe erwirtschafte den gem. § 35 Abs. 1 Nr. 2 GWB erforderlichen Inlandsumsatz von 5 Mio. EUR.

Zudem sei die der Entscheidung zugrunde liegende Marktabgrenzung unzutreffend. Weder die Abgrenzung des sachlichen noch die des räumlichen Marktes seien korrekt. Es sei entgegen der vom BKartA entwickelten Marktabgrenzung von einem einheitlichen Markt für Diesel- und Ottokraftstoff auszugehen, der in Einklang mit der Praxis der Kommission national, also bundesweit abzugrenzen sei. Die der Entscheidung zugrunde gelegte regionale Marktabgrenzung sei demgegenüber willkürlich. Durch den geplanten Zusammenschluss komme es schließlich auch nicht zu einer Verstärkung einer kollektiven Marktbeherrschung. Die integrierten Mineralölkonzerne A ..., S ..., T., E ... und J ... seien nicht Teil eines marktbeherrschenden Oligopols. Die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2GWB sei nicht einschlägig, jedenfalls werde sie aber durch das Vorliegen wesentlichen Innen- und Außenwettbewerbs widerlegt. Der zwischen den genannten Unternehmen tatsächlich bestehende Preiswettbewerb komme in der Preisgestaltung der Unternehmen zum Ausdruck, die sich direkt an der Preissetzung ihrer Wettbewerber orientierten und auf diese unmittelbar reagierten. Die hierin liegende Reaktionsverbundenheit sei entgegen der Auffassung des BKartA nicht durch einen wirksamen und ...

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