Leitsatz (amtlich)
(Vorlage an den BGH wegen Abweichung von dessen Urt. v. 7.6.1991 - V ZR 175/90, BGHZ 115, 1 = MDR 1991, 964 unter Aufgabe der Senatsrechtsprechung OLG Düsseldorf v. 30.9.2000 - 3 Wx 328/00, NJW-RR 2001, 233).
Der Verzicht auf den Miteigentumsanteil an einem Grundstück ist eintragungsfähig.
Normenkette
GBO § 78; BGB § 875; FGG § 928
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 6 T 368/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Sache wird dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
I. Die Antragsteller sind Miteigentümer zu je 1/118 des o.g. Grundbesitzes.
Sie erklärten mit notarieller Urkunde vom 6.4.2006 den Verzicht auf ihren jeweiligen Miteigentumsanteil und beantragten, diesen Verzicht in das Grundbuch einzutragen.
In der Zeit von 1976 bis 1983 wurde bei einer Vielzahl von Grundstücksmiteigentumsanteilen der Verzicht auf das Eigentum eingetragen.
Den Antrag der Antragsteller hat die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 6.6.2006 zurückgewiesen.
Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde hat sie dem LG vorgelegt, das die Beschwerde mit Beschluss vom 22.6.2006 zurückgewiesen hat.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde der Antragsteller.
Der Senat hat die Antragsteller darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Sache dem BGH zur Entscheidung vorzulegen, und hat ihnen hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von dieser Gelegenheit haben sie Gebrauch gemacht. Sie teilen die Auffassung des Senates, wenn sie auch der Meinung sind, dass in Ausnahmefällen der Verzicht eines Teilhabers auf Grundstücksmiteigentum die übrigen Teilhaber benachteiligen könne.
II. Die weitere Beschwerde der Antragsteller ist gem. § 78 Satz 1 GBO zulässig.
1. Der Senat hält das Rechtsmittel auch für begründet. Denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§ 27 FGG).
Das LG hat die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom 6.6.2006 mit der Begründung zurückgewiesen, der Verzicht auf je 1/118 Miteigentumsanteil an dem oben genannten Grundbesitz könne nicht eingetragen werden, weil es nicht zulässig sei, einen Grundstücksmiteigentumsanteil aufzugeben.
Die Kammer ist der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 7.6.1991 - V ZR 175/90, BGHZ 115, 1 = MDR 1991, 964) gefolgt, wonach die das Gemeinschaftsverhältnis der Miteigentümer bestimmenden Vorschriften darauf angelegt sind, dass jeder Miteigentumsanteil einen Rechtsträger hat. Der Verzicht auf einen Miteigentumsanteil belaste die übrigen Miteigentümer, weil sie zwangsläufig einen höheren Anteil/Beitrag zu den Kosten und Lasten tragen müssten. Eine partielle Herrenlosigkeit nach Aufgabe des Miteigentums sei "schwer vorstellbar". Das Miteigentum nach Bruchteilen sei an die (schuldrechtliche) Stellung des Miteigentümers als Teilhaber geknüpft und nicht abstrakt ausgestaltet.
a) Der BGH hat in der genannten Entscheidung den Verzicht auf das Grundstücksmiteigentum für unwirksam erachtet. Jeder Teilhaber sei ... an die Gemeinschaft bis zu deren Aufhebung gebunden.
Aus der Entstehungsgeschichte des § 928 BGB ergebe sich weder etwas für noch gegen die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf Grundstücksmiteigentum; die Klärung dieser Frage habe nach dem Willen des Gesetzgebers wegen ihrer praktisch sehr geringen Bedeutung Wissenschaft und Rechtsprechung vorbehalten bleiben sollen.
Die Frage der Anwendbarkeit des § 928 BGB auf Grundstücksmiteigentum verneint der BGH, weil die Auswirkungen eines Verzichtes mit der sonstigen Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses und mit der gesetzlichen Interessenbewertung nicht in Einklang stünden.
Das Gemeinschaftsverhältnis sei - grundsätzlich - darauf angelegt, dass jeder Miteigentumsanteil einen Rechtsträger habe, der Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstandes nach dem Verhältnis seines Anteils trage. Der Verzicht eines Miteigentümers auf seinen Anteil belaste zwangsläufig die übrigen Teilhaber. Diese Mehrbelastung sei nicht gerechtfertigt, weil der Kostenaufwand der Werterhaltung jedes Miteigentumsanteils zugute komme, der aufgegebene Anteil jedoch den übrigen Teilhabern nicht zuwachse.
Der einzelne Miteigentümer werde - auch bei Unzulässigkeit eines Verzichtes auf seinen Anteil - nicht gegen seinen Willen an die Gemeinschaft gebunden, weil er jederzeit deren Aufhebung verlangen könne, § 749 Abs. 1 BGB. Im Regelfall sei ein Grundstück versteigerungsfähig und das Aufhebungsverlangen vollziehbar.
b) Dieser Entscheidung des BGH ist die Rechtsprechung (soweit ersichtlich ausnahmslos) und die Literatur - die zuvor mehrheitlich den anderen Standpunkt vertreten hatte (vgl. die Nachweise bei BGH v. 7.6.1991 - V ZR 175/90, BGHZ 115, 1 = MDR 1991, 964) - ganz überwiegend gefolgt (vgl. die Nachweise bei Reichard, FS für Gerhard Otte, 2005, S. 265 ff., 266 Fn. 3). Andere (Kanzleiter NJW 1996, 905; MüKo-Kanzleiter, 4. Aufl., § 928, 3; Reichard, a.a.O., vgl. auch dessen weitere Nachweise S. 267 Fn. 6) halten dennoch den Verzicht auf einen Grundstücksmiteigent...