Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Anwendung der Bagatellmarktklausel (§ 35 Abs. 2 Satz 2 GWB) ist allein auf die im Inland erzielten Marktumsätze und nicht darauf abzustellen, welches Volumen der über den Geltungsbereich des GWB hinausgehende relevante Markt hat (so schon Senat, WuW/E DE-R 1881, 1883 - E. I du Pont/Pedex).
2. Mehrere sachlich getrennte Bagatellmärkte sind im Rahmen des § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB nur dann zusammenzufassen, sofern sie als gleichartig anzusehen sind. Das ist der Fall, wenn sie in sachlicher Hinsicht und auch hinsichtlich ihrer Marktstruktur hinreichende Übereinstimmungen aufweisen, so dass eine isolierte Betrachtung der Einzelmärkte dem Sinn und Zweck der Bagatellmarktklausel, Vorhaben von der Fusionskontrolle auszunehmen, die einen gesamtwirtschaftlich unbedeutenden Markt betreffen, nicht gerecht würde.
Normenkette
GWB § 35 Abs. 2 S. 2, § 65 Abs. 3
Verfahrensgang
BKartA (Beschluss vom 14.02.2007; Aktenzeichen B 5-28623-Fg-10/07) |
Nachgehend
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerden der Beteiligten zu 1-5 gegen den Beschluss des BKartA vom 14.2.2007 - B 5-28623-Fg-10/07 - wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerden angeordnet.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1 (nachfolgend: S.) ist ein Tochterunternehmen der in der Schweiz ansässigen S. AG, W.
Die Beteiligte zu 2 gehört zur M.-Gruppe (nachfolgend: M.). Sie ist die Muttergesellschaft der M. S. AG, R. (CH), M. Ltd, K. N. (UK), C. P. T. Inc." N. H. (USA), T. GmbH i. L., H. und der M.E. Inc., N. H. (USA). M. stellt Zweikomponentenmisch- und -applikationssysteme auf Kartuschenbasis sowie Mischer und Handaustraggeräte her.
Die Beteiligte zu 3 gehört zur W.-Gruppe, die u.a. im Spritzgussverfahren Kunststoffartikel herstellt.
Mit Schreiben vom 25.8.2006 meldeten die Beteiligten zu 1-5 beim BKartA den geplanten Erwerb von 75,1 % der Anteile der K. H. AG, R. (CH), 76 % der Anteile der W. AG, H. (CH), 76 % der Anteile der M. AG, E. (FL) und von 100 % des Gründerrechts der M. A., E. (FL), sowie von Kaufoptionen über die restlichen Anteile, sofern diese noch unter 100 % liegen. Nach Einleitung des Hauptprüfverfahrens und Mitteilung, dass gegen das Zusammenschlussvorhaben wettbewerbliche Bedenken bestehen, haben die Zusammenschlussbeteiligten die Anmeldung am 29.12.2006 zurückgenommen und den Vollzug des Zusammenschlusses am selben Tag angezeigt.
Durch Beschluss vom 14.2.2007 hat das BKartA den Zusammenschluss untersagt und dessen Auflösung angeordnet. Der Anteilserwerb an M. durch S. führe zur einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von M. auf dem Markt für die Herstellung von Kartuschen, Mischern und Austraggeräten für Zweikomponenten-Material für medizinische Anwendung und zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt für die genannten Geräte für Industrieanwendungen. Der Anteilserwerb an M. unterliege gem. § 35 Abs. 1 GWB der Fusionskontrolle. Die Bagatellmarktklausel (§ 35 Abs. 2 Nr. 2 GWB) sei nicht anwendbar. Zwar sei auf keinem der betroffenen sachlich relevanten Einzelmärkte die Umsatzschwelle von 15 Mio. EUR im Inland überschritten. Jedoch sei entweder auf die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zugrunde zu legenden räumlich relevanten Märkt abzustellen, die hier zumindest europaweit seien und deren Umsatzschwelle jeweils über 15 Mio. EUR läge, oder aber es seien die Inlandsumsätze beider Märkte zu addieren, da es sich um sachlich eng benachbarte Märkte handele.
Der Anteilserwerb an der W.-Gruppe sei in wettbewerblicher Hinsicht hingegen unbedenklich.
Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1-5 Beschwerde eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde bis zur rechtskräftigen Entscheidung ihrer Beschwerde anzuordnen.
Das BKartA beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
II. Der Antrag der Beteiligten zu 1-5 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer mit Schriftsatz vom 15.2.2005 eingelegten Beschwerden gegen den Beschluss des BKartA vom 14.2.2007 hat Erfolg.
Das Beschwerdegericht kann gem. § 65 Abs. 3 Satz 2 GWB auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB) oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB). Vorliegend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB). Solche Zweifel können in tatsächlicher oder in rechtlicher Hinsicht begründet sein. Sie sind bei der vorzunehmenden lediglich summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage regelmäßig dann zu bejahen, wenn nach der Einschätzung des Gerichts die Aufhebung der angefochtenen Verfügung überwiegend wahrscheinlich ist.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage führt...