Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.01.2012) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf vom 20. Januar 2012 wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet verworfen.
Gründe
Der Verurteilte verbüßt eine Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und drei Monaten, die durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 23. April 2009 wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - unter Einbeziehung eines auf Geldstrafe lautenden Urteils des Amtsgerichts Euskirchen vom 20. Juni 2008 - gegen ihn verhängt worden ist. Mit Beschluss vom 15. April 2010 hat das Jugendschöffengericht Düsseldorf die Vollstreckung der - im Erwachsenenvollzug vollzogenen - Jugendstrafe an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Am 27. Oktober 2011 war die Hälfte der Strafe verbüßt; der “Zweidrittelzeitpunkt„ ist auf den 12. Juli 2012, das Strafende auf den 12. Dezember 2013 notiert.
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung abgelehnt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten ist im Ergebnis unbegründet.
1. Entgegen der Ansicht der Strafvollstreckungskammer richtet sich die Entscheidung über die Reststrafenaussetzung im vorliegenden Fall allerdings nicht nach § 88 JGG. Vielmehr ist die Prüfung nach dem Maßstab des § 57 StGB vorzunehmen, wenn - wie hier - der in Jugendsachen zuständige Vollstreckungsleiter die Vollstreckung einer nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogenen Jugendstrafe nach § 85 Abs. 6 JGG bindend an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat. Der Senat hält dieserhalb an seiner bisherigen Auffassung fest (JMBl NW 1995, 258 = JR 1997, 212 mit abl. Anm. Böhm = StV 1998, 348 mit abl. Anm. Rzepka; ebenso OLG München 2 Ws 986-988/08 vom 12. November 2008; OLG Nürnberg 2 Ws 410/09 vom 17. November 2009; KG Berlin 2 Ws 102/11 vom 5. April 2011 ≪jeweils zitiert nach juris≫; Heinrich, NStZ 2002, 182 ff.; vgl. ferner Graalmann-Scheerer, in: LR-StPO, 26. Aufl. 2010, § 454 Rdnr. 105).
Die in Rechtsprechung und Literatur hierzu vertretene Gegenansicht (OLG Hamm StV 1996, 277 und NStZ-RR 2000,92; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 91; OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, III-3 Ws 117/03 vom 4. April 2003; OLG Stuttgart 5 Ws 200/10 vom 15. November 2010; OLG Thüringen 1 Ws 566/11 vom 3. Januar 2012 ≪jeweils zitiert nach juris≫; Eisenberg, JGG, 15. Aufl. 2012, § 85 Rdnr. 17a) vermag nicht zu überzeugen.
Die Anwendung des § 57 StGB anstelle von § 88 JGG entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung in § 85 Abs. 6 JGG in ihrem Gesamtgefüge. Nach Satz 1 der Vorschrift steht die Abgabe der Vollstreckung an die Staatsanwaltschaft unter der gesetzlichen Voraussetzung, dass die besonderen Grundgedanken des Jugendstrafrechts unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Verurteilten für die weiteren Entscheidungen nicht mehr maßgebend sind. Mit seiner Abgabeentscheidung bringt der Vollstreckungsleiter mithin die Erkenntnis zum Ausdruck, dass der Verurteilte mit den Mitteln des Jugendstrafrechts und des Jugendstrafvollzugs nicht mehr erzieherisch beeinflusst werden kann. Dann aber ist es sinnlos, für die weiteren Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren noch Jugendstrafrecht anzuwenden. Wenn daher Satz 2 des § 85 Abs. 6 JGG für die weitere Strafvollstreckung auf die Vorschriften der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes verweist, so ist im Gesamtgefüge der Vorschrift kein Raum mehr für eine Anwendung des § 88 JGG. Dessen Regelungen sind nämlich erkennbar von den - nach erfolgter Abgabe nicht mehr maßgeblichen - Grundgedanken des Jugendstrafrechts getragen und basieren diesbezüglich insbesondere auf der Annahme einer erzieherischen Einwirkungsmöglichkeit, die im Falle der Abgabeentscheidung durch den Vollstreckungsleiter gerade verneint worden ist.
Die Anwendbarkeit des § 57 StGB ist auch mit dem Wortlaut des § 85 Abs. 6 Satz 2 JGG vereinbar, dessen Verweisungsregelung zumindest mittelbar auch den in § 454 Abs. 1 StPO ausdrücklich genannten § 57 StGB erfasst. Dass dem Gesetzgeber für die Fälle nach erfolgter Vollstreckungsabgabe ungeachtet der ansonsten umfassenden Verweisung auf das für Erwachsene geltende Vollstreckungsrecht in materiellrechtlicher Hinsicht eine Fortgeltung des § 88 JGG vorschwebte, ist den Gesetzesmaterialien (Bundestagsdrucksache 11/5829 vom 27. November 1989) nicht zu entnehmen (zur Indizwirkung dieses Umstandes eingehend Heinrich, a.a.O., S. 185).
Schließlich stellt sich die Anwendung des § 57 StGB auch nicht als den Verurteilten benachteiligender Eingriff in die Rechtskraft der auf Jugendstrafe lautenden Verurteilung dar. Insbesondere ist das von der Gegenansicht in diesem Zusammenhang angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 1980 (BGHSt 29, 269) für die hier vorliegende Fallkonstellation nicht einschlägig. Mit dieser Entscheidung ist lediglich klargestellt worden, dass nach Auf...