Leitsatz (amtlich)
1. Der Pflichtverteidiger kann für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien nicht die Dokumentenpauschale nach VV 7000 Nr. 2 beanspruchen, weil diese Regelung in dem Verhältnis zwischen Pflichtverteidiger und Staatskasse nicht anwendbar ist.
2. Steht der tatsächliche Aufwand für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien in einem krassen Missverhältnis zu der Dokumentenpauschale, die sich rechnerisch nach VV 7000 Nr. 2 ergibt, verbleibt es bei einem Aufwendungsersatzanspruch, der sich nach dem tatsächlichen Aufwand richtet.
Normenkette
RVG VV 7000 Nr. 2
Tenor
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer war dem Angeklagten C. als Pflichtverteidiger beigeordnet. Ihm wurde in dem Umfangsverfahren von der Strafkammer eine DVD zur Verfügung gestellt, auf welcher die seinerzeit ca. 23.000 Seiten umfassenden Ermittlungsakten in insgesamt 3.348 Dateien gespeichert waren. Nachdem dem Angeklagten C. ca. drei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung ein weiterer Pflichtverteidiger bestellt worden war, ließ der Beschwerdeführer nach Rücksprache mit dem Kammervorsitzenden eine Kopie der DVD erstellen und stellte diese dem zweiten Pflichtverteidiger zur Verfügung.
Der Beschwerdeführer hat bei der Abrechnung seiner Pflichtverteidigervergütung beantragt, für die Überlassung der DVD-Kopie gemäß VV 7000 Nr. 2 eine Dokumentenpauschale von 8.370,00 Euro (3.348 × 2,50 Euro) zzgl. 1.339,20 Euro Umsatzsteuer gegen die Staatskasse festzusetzen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Festsetzung der Dokumentenpauschale abgelehnt. Auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers hat die Strafkammer – nach Übertragung der Sache durch den Einzelrichter in der Besetzung mit drei Richtern – die wegen der Überlassung der DVD-Kopie zu erstattende Dokumentenpauschale auf 2,50 Euro zzgl. 0,40 Euro Umsatzsteuer festgesetzt und die weitergehende Erinnerung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Pflichtverteidigers.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
1.
Der Pflichtverteidiger kann die von ihm nach VV 7000 Nr. 2 berechnete Dokumentenpauschale schon deshalb nicht beanspruchen, weil diese Regelung in dem Verhältnis zwischen Pflichtverteidiger und Staatskasse nicht anwendbar ist.
Nach VV 7000 Nr. 2 erhält der Rechtsanwalt für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien anstelle der in VV 7000 Nr. 1 lit. d genannten Ablichtungen je Datei 2,50 Euro. Die in Bezug genommene Regelung in VV 7000 Nr. 1 lit. d bestimmt, dass die Dokumentenpauschale für Ablichtungen in sonstigen Fällen, d.h. über die in VV 7000 Nr. 1 lit. a bis c bezeichneten Fälle hinaus, nur anfällt, wenn sie im Einverständnis mit dem Auftraggeber zusätzlich, auch zur Unterrichtung Dritter, angefertigt worden sind. Für die Dokumentenpauschale nach VV 7000 Nr. 2 kommt es darauf an, ob die Dokumentenpauschale nach VV 7000 Nr. 1 lit. d angefallen wäre, wenn anstelle der elektronisch gespeicherten Dateien Ablichtungen hergestellt worden wären (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 17. Aufl., VV 7000 Rdn. 103).
Die Regelung in VV 7000 Nr. 1 lit. d bezieht sich auf das privatrechtliche Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber, dessen Einverständnis mit der Anfertigung zusätzlicher Ablichtungen vorausgesetzt wird, weil er die Mehrkosten zu tragen hat. Dementsprechend ist auch die Regelung in VV 7000 Nr. 2 auf das privatrechtliche Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber zugeschnitten. Wenn der Rechtsanwalt im Einverständnis des Auftraggebers elektronisch gespeicherte Dateien Dritten überlässt, fällt die Dokumentenpauschale nach VV 7000 Nr. 2 an.
Der Beschuldigte (ebenso der Angeschuldigte oder Angeklagte), dem ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist, ist nicht dessen „Auftraggeber”. Die Bestellung zum Pflichtverteidiger erfolgt durch Verfügung oder Beschluss des Vorsitzenden (§ 141 StPO). Sie gleicht nach Inhalt und Qualität einem begünstigenden Verwaltungsakt (vgl. BVerfGE 39, 238, 244 = NJW 1975, 1015) und ist eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken (vgl. BVerfG NJW 2005, 3699). Der Zweck der Bestellung zum Pflichtverteidiger besteht ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen (§ 140 StPO) rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (vgl. BVerfGE 39, 238, 242 = NJW 1975, 1015; OLG Düsseldorf NStZ 1986, 137). Der bisherige Wahlverteidiger kann erst nach Niederlegung des Wahlmandats zum Pflichtverteidiger bestellt werden, wobei sein Antrag, ihn zum Pflichtverteidiger zu bestellen, die Erklärung enthält, die Wahlverteidigung solle mit der Bestellung enden (vgl. OLG Köln NStZ 1991, 248, 249; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 142 Rdn. 7 m.w.N.). Mit der Bestellung erlischt seine Vollmacht (vgl. BGH NStZ 1991, 94, 95).
Fehlt es mithin bei einer Pf...