Leitsatz (amtlich)
1. Wird dem Angeklagten, der die Frist zur Begründung der Revision versäumt hat, nach Beginn der Strafvollstreckung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, so wandelt sich die bereits erfolgte Strafhaft nicht nachträglich in Untersuchungshaft um (Anschluss an BGHSt 18, 34 = NJW 1962, 2359).
2. Wird die Strafvollstreckung nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beendet und gelangt der Angeklagte nach rechtskräftiger Verurteilung nicht erneut in Strafhaft, bleibt die Strafvollstreckungskammer für die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zuständig.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten in diesem entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Gegen den Verurteilten ist durch Urteil des Landgerichts vom 7. März 2008 in Verbindung mit dem Schuldspruch des Urteils vom 21. Juli 2006 wegen "gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in sechs Fällen, davon in einem Fall in neun tateinheitlich zusammentreffenden Fällen", eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten festgesetzt worden, wobei ein Monat als verbüßt gilt.
Durch Beschluss vom 25. März 2009 hat die erstinstanzliche Strafkammer die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe nach Verbüßung der Hälfte abgelehnt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben, da die erstinstanzliche Strafkammer des Landgerichts W nicht zur Entscheidung berufen war. Zuständig war und ist vielmehr die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts D.
Deren Zuständigkeit ergibt sich aus § 462a Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO. Nach dieser Vorschrift ist für eine Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte aufgenommen worden ist, wenn gegen diesen eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird. Die Zuständigkeit dieser Kammer bleibt auch dann erhalten, wenn die Vollstreckung unterbrochen worden ist oder die Vollstreckung des Restes der Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Der Verurteilte befand sich vom 10. Juni 2005 bis zum 14. Juni 2007 in der Justizvollzugsanstalt B und anschließend bis zu seiner Entlassung am 14. Februar 2008 in der Justizvollzugsanstalt D. Da die Revision des Verurteilten gegen das (erste) Urteil des Landgerichts W vom 21. Juli 2006 mit Beschluss der Strafkammer vom 24. Oktober 2006 wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen worden ist, war aufgrund des damaligen Sachstandes davon auszugehen, dass das Urteil vom 21. Juli 2006 rechtskräftig geworden ist. Dadurch ist die Untersuchungshaft ohne weiteres in Strafhaft übergegangen. Demnach wurde seinerzeit gegen den Verurteilten im Sinne des § 462a StPO eine Freiheitsstrafe vollstreckt.
Indes hat der Bundesgerichtshof dem Verurteilten mit Beschluss vom 4. Dezember 2007 wegen der Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und das Urteil des Landgerichts im Strafausspruch aufgehoben. Noch vor Erlass des (zweiten) Urteils des Landgerichts vom 7. März 2008 ist der Verurteilte am 14. Februar 2008 aus der Haft entlassen worden. Aus dem Umstand, dass sich der Verurteilte nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom 7. März 2008 nicht mehr in Haft befand, folgt jedoch entgegen der Auffassung des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss nicht, dass die gesamte Haftzeit vom 10. Juni 2005 bis zum 14. Februar 2008 als Untersuchungshaft anzusehen ist mit der Folge, dass sich der Verurteilte zu keinem Zeitpunkt in Strafhaft befunden hätte.
Eine bereits über einen bestimmten Zeitraum durchgeführte Strafvollstreckung wandelt sich durch die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht nachträglich in Untersuchungshaft um; sie behält vielmehr ihr Wesen als Strafvollstreckung (vgl. BGHSt 18, 34, 36 = NJW 1962, 2359; OLG Hamm NJW 1956, 274; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 44 Rdnr. 25 a.E.; Maul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, § 46 Rdnr. 4). Eine einmal erlittene Strafhaft ist nicht mehr rückgängig zu machen und kann ihren Wesensgehalt nicht mit Wirkung für die Vergangenheit verlieren. Es verbleibt mithin dabei, dass gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt worden ist.
Da sich der Verurteilte nach seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt D am 14. Februar 2008 in keiner anderen Vollzugsanstalt befand, bleibt die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts D, in dessen Bezirk sich die Justizvollzugsanstalt befindet, sachlich und örtlich zuständig.
§ 462a Abs. 1 Satz 1 StPO regelt zunächst die sachliche Zuständigkeit, also die Frage, ob die Strafvollstreckungskammer oder das Gericht des ersten Rechtszuges für bestimmte Entscheidungen, unter anderem die Frage der Strafaussetzung, zuständig ist. Die Vorschrift ordnet einen grundsätzlichen Vorrang ...