Leitsatz (amtlich)
Zum presserechtlichen Interesse publizistisch tätiger Medien ("gemeinnütziges Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum") auf Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten (hier bejaht hinsichtlich der eine Veröffentlichung vorbereitenden Recherche, ob eine örtliche Sparkasse über ihre Tochtergesellschaften - aktuelle bzw. frühere Grundstückseigentümer - selbst als Unternehmer im Grundstücksgeschäft tätig gewesen und in Folge einer Überbewertung der Immobilien ein öffentliche Belange tangierendes, sachfremdes Risiko eingegangen ist).
Normenkette
GG Art. 5; GBO § 12; GBV § 46
Verfahrensgang
AG Dinslaken (Beschluss vom 31.07.2015; Aktenzeichen VO - 2552 - 17) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Grundbuchamts Dinslaken vom 31.07.2015 (VO-2552-17) geändert und das Grundbuchamt angewiesen, der Antragstellerin Einsicht in das Grundbuch von Voerde - einschließlich der Grundakten - zu gewähren, soweit es um Grundstücke geht, die im Eigentum der "S. GmbH" bzw. der "C. GmbH" stehen oder in der Vergangenheit standen.
Gründe
I. Die Antragstellerin bezeichnet sich als gemeinnütziges Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum.
Sie begehrt - für einen bei ihr tätigen Journalisten - Einsicht in die Grundakten der "S. GmbH" und deren Tochtergesellschaft, der "C. GmbH".
In ihrem Gesuch vom 29.06.2015 hat sie geltend gemacht, ihr stehe als Presseorgan unter Zugrundelegung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.08.2000 - BvR 1307/91 - ein Recht zu, im begehrten Umfang Einsicht in die Grundakten zu nehmen.
Nach den ihr vorliegenden Informationen bestehe der Anfangsverdacht, dass die vorgenannten Gesellschaften überbewertete Immobilien in einem für die Region großen Umfang besäßen. Die "C. GmbH" sei als Gesellschafterin an der "S. GmbH" beteiligt gewesen und gehöre ihrerseits zu 100 % der Sparkasse Dinslaken-Voerde-Hünxe. Es bestehe das Risiko, dass die Sparkasse von den überbewerteten Immobilien der Eigentümerinnen "betroffen" sei. Dies könne Einfluss auf die Wirtschaftskraft der Stadt Voerde und der Stadtsparkasse haben. Diese Umstände seien auch für die Öffentlichkeit von Bedeutung.
Auf Grund des bestehenden Anfangsverdachts sei beabsichtigt, die Vermögenswerte der Gesellschaften sachbezogen zu untersuchen.
Durch Beschluss vom 03.08.2015 hat das AG (Rechtspfleger) den Antrag zurückgewiesen.
Es hat ausgeführt, die Einsicht in das Grundbuch sei jedem zu gestatten, der ein berechtigtes Interesse darlege. Als berechtigtes Interesse komme auch ein öffentliches Interesse in Betracht. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit könne ein Einsichtsrecht der Presse rechtfertigen, wenn die presserechtlichen Voraussetzungen dargelegt seien.
Die Abwägung mit dem privaten Geheimhaltungsinteresse obliege dabei dem Grundbuchamt. Das Interesse der Presse an der Kenntnisnahme des Grundbuchinhalts erweise sich gegenüber dem schutzwürdigen Interesse des Eingetragenen (nur) als vorrangig, wenn es sich um eine für die Öffentlichkeit wesentlich Frage handele.
Die Frage, ob die Recherche die Öffentlichkeit wesentlich angehe, müsse vorliegend verneint werden.
Die C. GmbH sei in der Vergangenheit lediglich Eigentümerin von zwei Grundstücken und einer Wohnung gewesen und verfüge aktuell über keinen Grundbesitz.
Die Stadtzentrum Voerde Projekt GmbH sei Eigentümerin von acht Wohnungen und in der Vergangenheit von sechs weiteren Wohnungen gewesen.
Somit seien die beiden Gesellschaften nicht - wie von der Antragstellerin angegeben - "im Eigentum von Immobilien in einem für die Region großen Umfang" und dies auch nicht in der Vergangenheit gewesen.
Überdies sei nicht vorgetragen, im welcher Form die (beabsichtigte) Veröffentlichung erfolgen werde.
Daher sei der Antrag zurückzuweisen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 05.08.2015.
Sie verfolgt ihr Einsichtsbegehren weiter und führt aus, es sei eine größere Reportage über die Frage geplant, ob und inwieweit die Sparkasse über ihre beiden Tochtergesellschaften selbst als Unternehmerin im Immobiliengeschäft tätig gewesen sei.
Im Rahmen der journalistischen Sorgfaltspflicht sei sie gehalten, zu überprüfen, welchen Grundbesitz die beiden Gesellschaften "hatten und haben und wie damit umgegangen" worden sei. Es sei zu klären, ob durch die Immobiliengeschäfte eine bilanzielle Überschuldung der Gesellschaften eingetreten sei.
Die Recherche sei deshalb für die Öffentlichkeit von Bedeutung, weil sie ergeben könnte, dass die Sparkasse ein Risiko eingegangen sei, welches nicht im Einklang mit ihrer Ursprungsaufgabe als Kreditgeber für das Gemeinwohl stehe.
Es sei geplant, die Ergebnisse der Recherche nicht nur auf der eigenen Internetseite zu veröffentlichen, sondern auch bei einer überregionalen Zeitung und einem öffentlich-rechtlichen TV-Sender.
Das AG hat der Beschwerde durch Beschluss vom 19.08.2015 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.1. Di...