Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Vergütung des Zeugenbeistands nach Teil 4 Abschnitt 1 RVG-VV
Leitsatz (amtlich)
›1. Ob der zum Beistand eines Zeugen bestellte Rechtsanwalt wie ein Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abrechnen kann oder ob der Gebührenanspruch auf die Vergütung einer Einzeltätigkeit beschränkt ist, richtet sich nach dem Umfang der übertragenen und tatsächlich geleisteten anwaltlichen Tätigkeit.
2. Da dem gem. § 68b StPO für die Dauer der Vernehmung des Zeugen zum Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwalt in der Regel die volle anwaltliche Vertretung des Zeugen und nur ausnahmsweise eine Einzeltätigkeit übertragen ist, finden i.d.R. die Gebührentatbestände von Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG Anwendung.
3. Das Verfahren, in dem der Rechtsanwalt als Zeugenbeistand tätig ist, und ein ggf. vorausgegangenes Strafverfahren, in dem der Zeuge Angeklagter war, sind unterschiedliche gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG, so dass der Rechtsanwalt daher jeweils die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG erhält.‹
Verfahrensgang
LG Duisburg (Beschluss vom 05.09.2007; Aktenzeichen 32 KLs 33/06) |
Gründe
1. Das von der Staatsanwaltschaft Duisburg wegen einer Vielzahl schwerwiegender Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz geführte Ermittlungsverfahren (123 Js 13/04) wurde am 2. August 2006 gegen mehrere Beschuldigte, u.a. gegen N. abgetrennt (123 Js 28/06) und Anklage vor der 5. Strafkammer des Landgerichts (35 Kls 16/06) erhoben (Bd. XIV, BI. 3712, 3713, 3741 der 11. Akte).
In dem vor der 2. Strafkammer desselben Landgerichts anhängigen Strafverfahren gegen H. u.a. (32 Kls 33/06) wurde nach Verfahrenstrennung durch Beschluss vom 4. Dezember 2006 (Bd. XV, BI. 3881,3882 der 11. Akte) N. als Zeuge geladen. Am 18. Januar 2007 zeigte Rechtsanwalt ## aus Oberhausen (Verteidiger des Mitangeklagten in dem Verfahren 35 Kls 16/06) die Vertretung des Zeugen an. Der Vorsitzende ordnete antragsgemäß Rechtsanwalt durch Beschluss vom 19. Januar 2007 gemäß § 68b StPO als Zeugenbeistand bei (Bd. XV, BI. 4009 der 11. Akte).
Die Strafsache gegen H. wurde am 24. Januar 2007 rechtskräftig abgeschlossen. Der Vorsitzende veranlasste am 25. Januar 2007 die fernmündliche Unterrichtung des beigeordneten Rechtsanwalts von der Aufhebung des auf den 2. Februar 2007 anberaumten Termins zur Fortsetzung der Hauptverhandlung und Vernehmung des Zeugen N.
Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2007 beantragte Rechtsanwalt als Beistand des Zeugen die Festsetzung einer Grundgebühr (§§ 2 Abs. 2, 14 RVG i.V.m. Nr. 4100, 4101 W RVG: 162 EUR) und Auslagenpauschale nebst anteiliger Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt 216,58 EUR (Bd. XVI, BI. 4223, 4224 der 11. Akte). Die Urkundsbeamtin der. Geschäftsstelle des Landgerichts wies durch Bescheid vom 13. Juli 2007 den Antrag auf Festsetzung einer Vergütung als Zeugenbeistand zurück (Bd. XVI, BI. 4285, 4286 der 11. Akte), da die angemeldete Grundgebühr bereits in dem gegen den Zeugen anhängigen Strafverfahren (35 Kls 16/06), das einen Ausschnitt aus der Strafsache gegen den ehemaligen Angeklagten Ha. darstelle, entstanden und deshalb anzurechnen sei. Rechtsanwalt legte Erinnerung ein.
Nach Übertragung der Sache durch den zuständigen Einzelrichter auf die Strafkammer hob diese mit Beschluss vom 5. September 2007 die Entscheidung vom 13. Juli 2007 auf und setzte die Rechtsanwalt~ aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung antragsgemäß auf 216,58 EUR fest. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors.
2. Das nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 1 RVG zulässige Rechtsmittel des Bezirksrevisors hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Entscheidungsfall zutreffend die beantragte Grundgebühr (§§ 2 Abs. 2, 14 RVG i. V. m. Nr. 4100, 4101 W RVG) festgesetzt.
a) Die Vorschriften unter Teil 4 (Strafsachen) sind nach der Vorbemerkung 4 (Abs. 1) des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG (u. a.) für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Beistand eines Zeugen entsprechend anzuwenden.
Teil 4 Abschnitt 1 W regelt (in Unterabschnitten) die Gebühren des Verteidigers, Abschnitt 3 W die Gebühren des Rechtsanwalts für Einzeltätigkeiten. Nach der Vorbemerkung 4.3 Abs. 1 W entstehen die in Abschnitt 3 W genannten Gebühren für einzelne Tätigkeiten, ohne dass dem Rechtsanwalt sonst die Verteidigung oder Vertretung übertragen ist. Die Gebühr entsteht für jede der dort genannten Tätigkeiten gesondert, soweit nicht anders bestimmt ist. § 15 RVG bleibt unberührt (Vorbemerkung 4.3 Abs. 3 W). Wird dem Rechtsanwalt die Verteidigung oder die Vertretung für das Verfahren übertragen, werden die nach Abschnitt 3 entstandenen Gebühren angerechnet (Vorbemerkung 4.3 Abs. 4 W).
Ob der in einem Strafverfahren für einen Zeugen als Beistand bestellte Rechtsanwalt hinsichtlich seiner Vergütung einem Verteidiger gleichzustellen ist und demnach die Gebührentatbestände nach Teil 4 Abschnitt 1 W in der Regel Anwendung finden (vgl. OLG Brandenburg NStZ-RR 2007, 287, 288 = JurBüro 2007, 482,483; OLG Schleswig NStZ-RR 2007, 126, 127 [un...