Leitsatz (amtlich)
1.
Fallen der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen zur Last, sind grundsätzlich nur die Kosten für einen Rechtsanwalt erstattungsfähig.
2.
Ist trotz bestehenden Wahlmandats ein Pflichtverteidiger bestellt worden, werden die Kosten für den Wahlverteidiger nicht erstattet, wenn die Verteidigerbestellung aus Gründen erfolgt ist, die der Freigesprochene oder sein Wahlverteidiger zu vertreten haben.
Dies gilt nicht, wenn der Pflichtverteidiger ohne Verschulden des Freigesprochenen oder seines Wahlverteidigers etwa zur Sicherung des Verfahrens bestellt worden ist.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Entscheidung vom 25.09.2001; Aktenzeichen 24 Kls 69/99 IV) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird insoweit aufgehoben, als von dem Kostenfestsetzungsantrag des früheren Angeklagten ein Betrag von 4. 744, 17 DM abgezogen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache an den Rechtspfleger beim Landgericht Wuppertal zurückverwiesen.
Der Rechtspfleger wird angewiesen, den früheren Angeklagten unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats erneut - auch hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens - zu bescheiden.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde durch Anklageschrift vom 29. April 1999 u. a. der Vergewaltigung in zwei Fällen beschuldigt. Während hinsichtlich einer der beiden Taten das Verfahren am 7. Juni 2000 gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt wurde, hat das Landgericht den Angeklagten mit Urteil vom 28. Juni 2000 auch im übrigen rechtskräftig freigesprochen. Nach der weiteren Entscheidung der Kammer im Urteil in Verbindung mit dem Beschluss vom 19. April 2001 wurden die Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Strafverfahren insgesamt der Staatskasse auferlegt.
Mit Antrag seines am 22. Oktober 1998 bevollmächtigten Wahlverteidigers, Rechtsanwalt K. in W. , vom 28. Juni 2000 hat der Freigesprochene Kosten gegen die Staatskasse in Höhe von 9. 535, 20 DM geltend gemacht. Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht hat mit Beschluss vom 25. September 2001 die der Staatskasse entstandenen Kosten für die durch Beschluss vom 2. Mai 2000 als Pflichtverteidigerin beigeordnete Rechtsanwältin L. in D. sowie weitere, nicht belegte Auslagen abgezogen und die aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen auf 4. 791, 03 DM nebst Zinsen festgesetzt. Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde begehrt der frühere Angeklagte die Festsetzung weiterer 4. 744, 17 DM.
II.
Die nach §§ 464 b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3, 577 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2001 - Rpfl 2002, 223) zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
1.
Die Rechtspflegerin geht zutreffend davon aus, dass nach der eindeutigen Bestimmung in § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO i. V. m. § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO grundsätzlich nur die Kosten eines Rechtsanwalts erstattungsfähig sind, und zwar auch dann, wenn mehrere Rechtsanwälte mit der Wahrnehmung der Interessen betraut worden sind. Dies gilt grundsätzlich auch im Falle einer Beiordnung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger; neben diesem ist eine Wahlverteidigung nicht mehr "notwendig". Dementsprechend sieht das Gesetz in § 141 Abs. 1 StPO die Bestellung eines Verteidigers nur dann vor, wenn der Angeklagte nicht bereits einen (Wahl-) Verteidiger hat. Die Kosten des Wahlverteidigers kann er im Falle einer ihm günstigen Kostenentscheidung insoweit nicht gegen die Staatskasse geltend machen (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, JurBüro 1984, 724 und Rpfl. 1986, 444).
2.
Dieser Grundsatz kann jedoch nicht uneingeschränkt gelten. Der Angeklagte darf nämlich nicht auf dem Kostenwege in seinem Recht auf den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl entsprechend Artikel 6 Abs. 3 Buchstabe c Alt. 2 MRK beeinträchtigt werden. Dies wäre aber der Fall, wenn er damit rechnen müsste, selbst im Falle seines Freispruchs für die Kosten des Verteidigers seines Vertrauens aufkommen zu müssen (BVerfGE 66, 313). So muss ihm kosten rechtlich gestattet sein, neben einem Pflichtverteidiger, zu dem kein Vertrauen (mehr) besteht, einen Rechtsanwalt seines Vertrauens mit seiner Verteidigung zu betrauen (OLG Zweibrücken, StV 1983, 119). Auch darf das Recht auf freie Verteidigerwahl nicht durch die Beiordnung eines Pflichtverteidigers allein zur Verfahrenssicherung beeinträchtigt werden (BVerfGE a. a. O. ). Andererseits besteht in aller Regel keine Notwendigkeit für eine zusätzliche Wahlverteidigung, wenn der Vorsitzende des Tatgerichts entsprechend § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO den vom Angeklagten genannten Rechtsanwalt seines Vertrauens zum Pflichtverteidiger bestellt.
Letztlich ist für die Frage der Kostenerstattung darauf abzustellen, ob der Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger aus Gründen bestellt worden ist, die dem Angeklagten oder dessen Verteidiger anzurechnen sind (BVerfG a. a. O. S. 322), die Gründe letztlich also in der Sphäre des Angeklagten liegen. In diesem Fall kann er die durch die Wahlverteidigung verursachten zusätzlichen Kosten nicht als notwendige Auslagen gegen...