Leitsatz (amtlich)
Setzen Eheleute einander gegenseitig zu alleinigen Vorerben ein, sollen Nacherben ihre beiden Söhne zu gleichen Teilen sein, darf das zum Nachlass gehörige Grundvermögen vom Vorerben weder verkauft, verschenkt noch mit Hypotheken oder Grundschulden belastet werden und ist weiter bestimmt, dass, sofern einer der beiden Söhne seinen Pflichtteil nach dem Erstversterbenden verlangt, er auch nach dem Letztversterbenden nur seinen Pflichtteil erhalten soll, so liegt die Auslegung nahe, dass die Eheleute nicht nur die Erbfolge nach dem Tod des Erstversterbenden, sondern auch die nach dem Tod des Überlebenden haben regeln wollen und dass der Ehepartner, der den anderen Elternteil zum Alleinerben einsetzt und damit die gemeinsamen Kinder übergeht, dies in einer Wechselwirkung dazu sieht, dass nicht nur er selbst, sondern auch der andere Elternteil im Gegenzug dafür als Schlusserben des beiderseitigen Vermögens die Kinder einsetzt; die wechselbezügliche Bindungswirkung führt zur Unwirksamkeit einer die Rechte der bedachten Kinder beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung des überlebenden Ehegatten.
Normenkette
BGB §§ 133, 2084, 2270 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Moers (Aktenzeichen 300 VI 187/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Feststellungsbeschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Moers vom 12. Juni 2018 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 2.
Geschäftswert: bis 30.000 EUR (1/4 des hälftigen Miteigentumsanteils der Erblasserin)
Gründe
I. Die Beteiligten sind die Söhne der Erblasserin.
Die Erblasserin war zusammen mit ihrem Ehemann zu je 1/2 Miteigentümerin des Familienheims. Sie hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann, dem Vater der Beteiligten, am 29. Okt. 1981 wie folgt gemeinsam testiert:
"Wir, die Eheleute ..., setzen uns gegenseitig zu alleinigen Vorerben ein. Nacherben sollen unsere beiden Söhne ... zu gleichen Teilen sein.
Das zum Nachlass gehörige Grundvermögen darf vom Vorerben weder verkauft, verschenkt noch mit Hypotheken oder Grundschulden belastet werden.
Sollte einer unserer beiden Söhne seinen Pflichtteil nach dem Erstversterbenden verlangen, dann soll er auch nach dem Letztversterbenden nur seinen Pflichtteil erhalten."
Am 23. Juni 2016 ließ die Erblasserin das folgende notarielle Testament beurkunden:
"Vorbemerkungen
1. Ich will ein Testament errichten und bin weder durch ein früheres gemeinschaftliches Testament noch durch einen Erbvertrag in der Verfügung über meinen Nachlass, soweit er nicht der Vor- und Nacherbfolge unterliegt, beschränkt oder gehindert.
Insoweit hat der Notar mich auf mein gemeinsam mit meinem verstorbenen Ehemann errichtetes privatschriftliche Testament vom 29. Okt. 1981 hingewiesen, ...
Danach bin ich alleinige Vorerbin meines Ehemannes geworden. Nacherben sind meine Söhne ... . Eine Schlusserbeneinsetzung enthält das gemeinschaftliche Testament ... nicht, so dass ich über dasjenige Vermögen, welches ich nicht von meinem Ehemann geerbt habe, frei verfügen kann. Der Notar hat die Erschienene darauf hingewiesen, dass dies nicht für das der Vor- und Nacherbfolge unterliegende Vermögen gilt, insbesondere nicht für den früheren 1/2 Miteigentumsanteil des verstorbenen Ehemannes an dem ... Grundbesitz. Dieses Vermögen erben im Todesfall der Erschienenen also die beiden vorgenannten Söhne je zur Hälfte gemäß der Vor- und Nacherbenbestimmung im privatschriftlichen Testament vom ... . Die nachfolgende Erbeinsetzung im heutigen Testament gilt also nur für dasjenige Vermögen, welches nicht der Vor- und Nacherbfolge unterliegt, also insbesondere für den weiteren 1/2 Anteil an dem vorgenannten Grundbesitz."
Sodann setzte die Erblasserin zu ihren Erben den Beteiligten zu 2 zu × und den Beteiligten zu 1 zu 1/4 ein.
Der Beteiligte zu 1 hat am 7. März 2018 gestützt auf das gemeinschaftliche Testament vom 29. Okt. 1981 einen Erbschein beantragt, wonach die Erblasserin von den Beteiligten zu 1 und zu 2 zu je 1/2 beerbt worden ist. Der Nacherbeneinsetzung des gemeinschaftlichen Testaments sei durch Auslegung auch eine wechselseitige Schlusserbeneinsetzung zu entnehmen, wonach die Beteiligten zu je 1/2 Anteil Erben des Längerlebenden der testierenden Eheleute werden sollten.
Der Beteiligte zu 2 hat gemeint, das gemeinschaftliche Testament enthalte nach seinem eindeutigen Wortlaut nur eine Regelung für den Tod des Erstversterbenden. An keiner Stelle finde sich eine Anordnung oder auch nur eine Andeutung für den Tod des Längstlebenden.
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 12. Juni 2018 die Tatsachen für festgestellt erachtet, die zur Begründung des Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 1 erforderlich sind.
Der Wortlaut des gemeinschaftlichen Testaments gebe nichts dafür her, ob die Eheleute nicht auch über den Nachlass des Letztversterbenden hätten testieren wollen. Dafür spreche die Auslegung des § 2102 Abs. 1 BGB, wonach die Einsetzung als Nacherbe im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe enthalte. Daher seien die Kinder,...