Leitsatz (amtlich)
1. Ein von Eheleuten abwechselnd niedergeschriebenes und von beiden unterzeichnetes privatschriftliches Testament mit aus der Sicht des Erblassers in der "Ich-Form" formuliertem Haupttext, in dem der Erblasser unter weiteren Anordnungen zu den im einzelnen aufgeführten Vermögenspositionen bestimmt, seine zweite Ehefrau solle 75 % und sein Enkelsohn 25 % des im Testament näher aufgeführten Vermögens erben, ist als gemeinschaftliches Testament wegen Formmangels unwirksam, wenn die Auslegung - wie hier - ergibt, dass dasselbe nicht auch eine eigene letzwillige Verfügung des (mit-) schreibenden Ehegatten enthält.
2. Führt die Auslegung zu dem Ergebnis, dass das Testament lediglich Verfügungen eines Ehegatten enthält, so kann bei Vorliegen einer vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebene Erklärung - ggf. im Wege der Umdeutung - ein wirksames Einzeltestament anzunehmen sein (was hier nicht in Betracht kommt, weil große Teile des Haupttextes des Testaments nicht der Erblasser, sondern dessen Ehefrau niedergeschrieben hat).
Normenkette
BGB §§ 133, 140, 242, 2247 Abs. 1, § 2267; FamFG § 58 ff., § 68 Abs. 1 S. 1, Hs. 2
Verfahrensgang
AG Nettetal (Aktenzeichen 8 VI 93/20) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Erblasser, der am 18. September 1989 mit seiner ersten, inzwischen ebenfalls verstorbenen Ehefrau eine notariell beurkundete Scheidungsvereinbarung und einen ein Vermächtnis zugunsten der ersten Ehefrau anordnenden Erbvertrag geschlossen hatte, errichtete gemeinsam mit der Beteiligten zu 3, seiner zweiten Ehefrau, am 9. September 1992 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag. Unter § 1 des erbvertraglichen Teils der Urkunde erklärten beide, früher errichtete Verfügungen von Todes wegen zu widerrufen. In § 2 setzte der Erblasser die Beteiligte zu 2, seine Tochter, zu seiner Alleinerbin ein; zugunsten der Beteiligten zu 3 ordnete der Erblasser verschiedene Vermächtnisse an. Die Beteiligte zu 3 bestimmte in § 3 den Erblasser zu ihrem alleinigen Erben. Nach Maßgabe von § 5 der Urkunde erklärten beide den Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht am Nachlass des jeweils anderen. Die Vereinbarung über den Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht hoben der Erblasser und die Beteiligte zu 3 mit notarieller Urkunde vom 16. März 2000 wieder auf. Am 9. Dezember 2009 schlossen der Erblasser und die Beteiligte zu 3 einen weiteren notariell beurkundeten Erbvertrag, in dem der Erblasser verfügte, die im Erbvertrag vom 9. September 1992 zugunsten der Beteiligten zu 2 getroffene Erbeinsetzung aufzuheben; er erklärte, dass er beabsichtigte, zu einem späteren Zeitpunkt eine neue Verfügung von Todes wegen zu errichten. Unter dem 15. Dezember 2009 verfassten der Erblasser und die Beteiligte zu 3 ein privatschriftliches Testament, in dem der Erblasser bestimmte, dass die Beteiligte zu 3 75 % und der Beteiligte zu 1, sein Enkelsohn, 25 % des im Testament näher aufgeführten Vermögens erben. Zu den im einzelnen aufgeführten Vermögenspositionen traf der Erblasser weitere Anordnungen. Den aus der Sicht des Erblassers in der "Ich-Form" formulierten Haupttext schrieben der Erblasser und die Beteiligte zu 3 abwechselnd nieder, beide unterzeichneten das Schriftstück.
Gestützt auf das Testament vom 15. Dezember 2009 hat der Beteiligte zu 1 den Erlass eines Erbscheins beantragt, der die Beteiligte zu 3 als Erbin zu *-Anteil und ihn als Erben zu 1/2-Anteil ausweise.
Die Beteiligte zu 2 ist dem Erbscheinsantrag entgegen getreten. Sie hält das Testament vom 15. Dezember 2009 für formungültig, da sich die Handschrift des Erblassers auf nur geringe Teile des Testaments beschränke, indes alle Verfügungen aus seiner Position formuliert seien und ausschließlich sein Vermögen und die Mitglieder seiner Familie beträfen. Die Beteiligte zu 3 habe lediglich ein Diktat des Erblassers niedergeschrieben. Eigene Verfügungen habe die Beteiligte zu 3 erst in einem später zugunsten ihrer einzigen Nichte errichteten notariellen Testament getroffen.
Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 mit Beschluss vom 14. Juli 2020 zurückgewiesen. Das Testament sei nicht handschriftlich vom Erblasser errichtet. Die Formerleichterung des § 2267 BGB gelte nicht. Es fehle an einer letztwilligen Verfügung beider Ehegatten, denn die das Testament mitverfassende Beteiligte zu 3 habe für ihre Person keinerlei letztwillige Verfügungen getroffen.
Gegen die Zurückweisung seines Erbscheinsantrages wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seiner Beschwerde vom 11. August 2020. Er meint, im Testament vom 15. Dezember 2009 habe die Beteiligte zu 3 eigene Verfügungen getroffen. So hätten die Eheleute die ausschließliche Gültigkeit des Testaments verfügt und damit die Erbverträge vom 9. September 1992 und vom 9. Dezember 2009 außer Kraft gesetzt. Damit habe die Beteiligte zu 3 die im Erbvertrag vom 9. Dezember 1992 enthaltene Erbeinsetzung zugunsten des Erblassers aufgehoben.
Das Nach...