Leitsatz (amtlich)
1. Der Gegenstandswert eines Vergleichs bestimmt sich danach, worüber und nicht worauf sich die Parteien verständigen.
2. Wird in einem Prozessvergleich ein neues Mietverhältnis begründet und zugleich das bisherige, bestrittene Mietverhältnis für beendet erklärt, ist die Jahresmiete dieses Vertragsverhältnisses für den Wert maßgebend.
3. Wer zuvor einem bestimmten Streitwert zugestimmt hat, erklärt nicht schlüssig einen Rechtsmittelverzicht und wird trotzdem von der entsprechenden Festsetzung beschwert.
Normenkette
GKG §§ 41, 63; ZPO § 9; BGB § 779
Verfahrensgang
LG Duisburg (Beschluss vom 05.11.2007; Aktenzeichen 2 O 461/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Duisburg - Einzelrichterin - vom 5.11.2007, ergänzt durch den Nichtabhilfebeschluss vom 4.3.2008, teilweise abgeändert.
Der Gegenstandswert des Vergleichs wird anderweitig auf 36.348,81 EUR festgesetzt. Im Übrigen bleibt es bei der Festsetzung des LG.
Gründe
I. Die Beschwerde ist statthaft gem. § 68 Abs. 1 GKG. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und die Beschwer der Klägerin ist höher als 200 EUR.
1. Entgegen der Auffassung des LG ist die Beschwer der Klägerin trotz der Zustimmung und der tatsächlichen Angaben der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 5.11.2007 nicht zu verneinen.
a) Zwar wird teilweise vertreten, nicht beschwert sei, wer sich zuvor mit der Festsetzung eines bestimmten Streitwertes einverstanden erklärt habe (OLG Hamburg, MDR 1977, 407; OLG Bamberg JurBüro 1975, 1463, OLG Hamm FamRZ 1997, 691; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, GKG, § 68 Rz. 9). Auch wird vertreten, das Einverständnis mit der Festsetzung eines bestimmten Streitwertes stelle einen Rechtsmittelverzicht dar (OLG Hamburg, a.a.O.).
b) Nach der Gegenauffassung liegt in der übereinstimmenden Erklärung der Prozessbevollmächtigten, den Streitwert auf eine bestimmte Höhe festzusetzen, weder ein Verzicht auf das Beschwerderecht oder wird dadurch eine Verpflichtung der Parteien begründet, gegen die gerichtliche Wertfestsetzung Beschwerde nicht einzulegen. In den Einverständniserklärungen der Parteien ist nämlich nur eine unverbindliche Anregung an das Gericht zu sehen, den Streitwert dem übereinstimmenden Antrag entsprechend festzusetzen (OLG München, JurBüro 2001, 141; OLG Celle OLGReport Celle 2006, 270; NdsRpfl. 2005, 324; OLG Köln OLGReport Köln 2000, 119 = AGS 2000, 154; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rz. 16 "Streiwertbeschwerde").
2. Der letztgenannten Auffassung schließt sich der Senat an.
a) Für sie spricht die Erwägung, dass das Gericht bei der Streitwertfestsetzung an einen übereinstimmenden Sachvortrag und Antrag der Parteien und der Prozessbevollmächtigten nicht gebunden ist und der Streitwertbeschluss auch auf Antrag eines Beteiligten und von Amts wegen geändert werden könnte (§ 63 Abs. 3 S. 1 GKG). Die Beschwer der Klägerin ist zudem nicht mit Blick auf ihre Angaben zum Abschluss des neuen Mietvertrages und dessen wesentlichen Inhalt zu leugnen (dazu noch unter II.). Dabei wird dogmatisch auf die formelle Beschwer abgestellt, die immer dann fehlt, wenn die gerichtliche Entscheidung nicht hinter dem gestellten Antrag zurückbleibt. Dies ist für den Regelfall zutreffend, kann jedoch auf die Streitwertfestsetzung nicht übertragen werden. Denn diese ist der Disposition der Parteien entzogen, der Streitwert ist vielmehr von Amts wegen festzusetzen (vgl. OLG Celle, NdsRpfl. 2005, 324 [325]).
b) Auch die teilweise vertretene Auffassung, das Einverständnis mit der Festsetzung eines bestimmten Streitwertes stelle einen Rechtsmittelverzicht dar (OLG Hamburg, a.a.O.), überzeugt nicht. Denn für das Hauptsacheverfahren ist allgemein anerkannt, dass ein gegenüber dem Gegner oder dem Gericht vor Urteilserlass erklärter Rechtsmittelverzicht unwirksam ist. Gründe dafür, dass das Verfahren der Streitwertfestsetzung anders beurteilt werden sollte, sind nicht ersichtlich (vgl. OLG Celle ebenda; OLG Köln, a.a.O.). Schließlich kann es nicht in das Belieben der Parteien gestellt sein, durch vertragliche Absprachen den Streitwert, dessen Höhe die Gerichtskosten bestimmt, zu beeinflussen (so zutreffend OLG Köln, a.a.O.).
II. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Gegenstandswert des Vergleichs ist anderweitig auf 36.348,81 EUR festzusetzen. Der Mehrwert des Vergleichs beträgt nur 18.000 EUR
1. Nach ganz herrschender Meinung ist (Streit)Gegenstand nicht das, worauf sich die (Streit)Parteien einigen (Verhandlungsergebnisse/Zugeständnisse), sondern worüber sie gestritten haben (BGH AnwBl. 1964, 204; BAG NJW-RR 2001, 495; OLG Düsseldorf JurBüro 2005, 479 = OLGR 2005, 651; OLG Frankfurt JurBüro 1985, 1857 m. zust. Anm. Mümmler = KostRspr § 3 ZPO Nr. 794 m. zust. Anm.E. Schneider; OLG Bamberg JurBüro 1991, 222, OLG Schleswig SchlHA 1991, 115, OLG Stuttgart JurBüro 1995, 248, OLG München JurBüro 2001, 141; Zöller/Herget, a.a...