Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Rechtsanwalts: Anwaltliche Hinweispflicht auf Geltendmachung von Altersvorsorgeunterhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Der Rechtsanwalt hat den Mandanten bei Erhebung der Klage auf Trennungsunterhalt auch auf die Geltendmachung von Altersvorsorgeunterhalt hinzuweisen.
2. Im Regressprozess ist der durch Verlust des Anspruchs auf Vorsorgeunterhalt entstandene Schaden wie in dem entsprechenden Unterhaltsprozess zu berechnen (Anschluss an BGH FamRZ 2007, 117).
Normenkette
BGB §§ 611, 675, 1361, 1578
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 03.06.2008; Aktenzeichen 7 O 159/07) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Düsseldorf - Einzelrichterin - vom 3.6.2008 wird zurückgewiesen.
Der Tenor des vorgenannten Urteils wird im Hauptausspruch wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägeri 75.567,11 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von 59.392 EUR für die Zeit vom 6.12.2006 bis zum 6.7.2007 sowie von 75.567,11 EUR seit dem 7.7.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden dem Beklagten auferlegt.
Gründe
Nachdem die Klägerin ihre Klage wegen der Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von 16175,11 EUR für die Zeit vom 6.12.2006 bis zum 6.7.2007 zurückgenommen und der Beklagte dem nicht binnen der Frist des § 269 Abs. 2 S. 4 ZPO widersprochen hat, bleibt die weitergehende Berufung des Beklagten in der Sache ohne Erfolg.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG ist zwar zulässig. Sie ist aber gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil die Berufung in der Sache keinen Erfolg, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist.
I. Zu Recht und mit zutreffenden Gründen, auf die verwiesen wird, hat das LG ihn zur Zahlung eines Schadensersatzbetrages von 75.567,11 EUR nebst Zinsen in dem in der Berufungsinstanz noch geltend gemachten Umfang verurteilt.
Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, eine für den Beklagten günstigere Entscheidung zu rechtfertigen. Der Beklagte haftet der Klägerin auf Schadensersatz in Höhe des vom LG zuerkannten Betrages wegen der Verletzung der ihn treffenden Pflichten aus dem mit der Klägerin geschlossenen Rechtsbesorgungsvertrag gem. §§ 675, 611, 276, 280 Abs. 1 S. 1, 249 ff. BGB:
1. Grundsätzlich ist der Rechtsanwalt kraft des Anwaltsvertrags in den Grenzen des ihm erteilten Mandats (BGH MDR 1998, 1378; MDR 1996, 2648 f.; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl., Rz. 665) verpflichtet, die Interessen seines Mandanten nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen und Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, zu vermeiden. Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH WM 1993, 1376; WM 1996, 1824; WM 2006, 927; WM 2007, 419; NJW 2007, 2485; WM 2008, 1560). Der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des einzelnen Falles (BGH WM 1996, 1824; 2008, 1560). Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-) Entscheidungen ("Weichenstellungen") in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen (BGH NJW 2007, 2485; WM 2008, 1560; Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rz. 558).
2. Seine so umrissenen Pflichten hat der Beklagte bei Ausführung des ihm übertragenen Mandats, den Anspruch der Klägerin gegen ihren damaligen Ehemann auf Zahlung von Trennungsunterhalt (§ 1361 Abs. 1 BGB) durchzusetzen, verletzt. Sein Verschulden wird gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet.
a) Er hat die Klägerin bei der Übernahme des Mandats wie auch bei der auf die Zahlung von Trennungsunterhalt gerichteten Klageerhebung nicht darauf hingewiesen, dass sie neben der Zahlung von Elementarunterhalt auch die Zahlung von Altersvorsorgeunterhalt beanspruchen kann. Der nach § 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. - für den Nachscheidungsunterhalt - nach § 1578 Abs. 3 BGB geschuldete Vorsorgeunterhalt ist dazu bestimmt, als Teil des einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf des Berechtigten umfassenden Unterhaltsanspruchs Nachteile auszugl...