Tenor

Der Antrag der Antragsgegnerin vom 1. Juni 2012 auf vorzeitige Gestattung des weiteren Fortgangs des Vergabeverfahrens und des Zuschlags wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin wird aufgefordert, dem Beschwerdegericht nach Ablauf von zehn Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses die ergriffenen Maßnahmen zur Herstellung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens anzuzeigen (§ 122 GWB)

 

Gründe

A.

Die Antragsgegnerin schrieb die "Umstellung der analogen Funktechnik auf digitale Funktechnik für das Ordnungs- und Tiefbauamt der Stadt Dortmund" europaweit im offenen Verfahren aus. Vom Auftragnehmer soll ein digitales Funknetz einschließlich der erforderlichen Hard- und Software bereitgestellt werden. Der Vertrag mit einer Laufzeit von 48 Monaten soll am 1.9.2012 beginnen. Einziges Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Beschlusses der Vergabekammer vom 14.5.2012 verwiesen.

Die Vergabekammer hat der Antragsgegnerin mit dem vorstehenden Beschluss aufgegeben, das Verfahren bei fortbestehender Vergabeabsicht in den Stand vor dem 14.3.2012 zurück zu versetzen, und die Forderung nach dem Nachweis der Funktionsfähigkeit durch einen Funktionstest der geforderten Art mit Angebotsabgabe, jedenfalls aber vor Zuschlag aufzugeben, sowie den Bewerbern Gelegenheit zur Abgabe eines Angebots unter den veränderten Bedingungen zu geben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die nachträgliche Forderung des Funktionstests verletze die Antragstellerin in ihren Rechten, weil diese Forderung nur durch einen Anbieter erfüllt werden könne, der bereits über ein flächendeckendes digitales Funknetz in Dortmund verfüge. Dies verstoße sowohl gegen den Grundsatz der Vergabe im Wettbewerb nach § 97 Abs. 1 GWB als auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach § 98 Abs. 2 GWB. Überdies sei die Forderung unzumutbar.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer begehrt. Darüber hinaus beantragt sie die Gestattung des weiteren Fortgangs des Vergabeverfahrens und des Zuschlags gemäß § 121 GWB.

B.

Der Antrag der Antragsgegnerin, ihr gemäß § 121 GWB vorab zu gestatten, das Vergabeverfahren fortzusetzen und den Zuschlag zu erteilen, hat keinen Erfolg.

1.

a)

Auf Antrag des Auftraggebers kann das Gericht den weiteren Fortgang des Vergabeverfahrens erlauben und dem öffentlichen Auftraggeber auf seinen Antrag schon vor einer Entscheidung über die Beschwerde gestatten, den Zuschlag zu erteilen (§ 121 Abs. 1 GWB). Bei seiner Entscheidung hat das Gericht in erster Linie die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen, und den Zuschlag auch dann zuzulassen, wenn die Erfolgsaussichten ungewiss sind, aber unter Abwägung der möglicherweise betroffenen Interessen sowie der Interessen der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Beschwerdeentscheidung die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Dies bedeutet, dass dem Antrag nach § 121 GWB in der Regel stattzugeben ist, wenn die sofortige Beschwerde des Auftraggebers gegen die Entscheidung der Vergabekammer begründet erscheint oder zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Beschwerde besteht (vgl. Senat, Beschl. v. 30.7.2008 - VII Verg 16/08 u. Beschl. v. 20.11.2001 - Verg 33/01; BayObLG, Beschl. v. 13.8.2001 - Verg 10/01, NZBau 2001, 643, 633 = VergabeR 2001, 401, 404; OLG Bremen, Beschl. v. 20.7.2000 - Verg 1/2000; OLG Celle, Beschl. v. 14.3.2000 - 13 Verg 2/00; Jaeger in Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 3. Aufl., 2011, § 121 GWB, Rdnr. 17), und wenn ferner der Grund für die Eilbedürftigkeit feststeht oder glaubhaft gemacht worden ist (vgl. OLG Celle, a.a.O.; Senat, Beschl. v. 21.8.2002 - Verg 39/02). Dabei sind an die Eilbedürftigkeit umso geringere Anforderungen zu stellen, je wahrscheinlicher der Erfolg der Beschwerde ist. An diesem Vorverständnis gemessen hat der Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags keinen Erfolg.

b)

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ist die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie sich gegen den dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin stattgebenden Beschluss der Vergabekammer der Bezirksregierung Arnsberg vom 14.5.2012 wendet, zwar zulässig, aber unbegründet, denn dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist mit Recht stattgegeben worden. Zu Recht hat die Vergabekammer der Antragsgegnerin aufgegeben, das Vergabeverfahren zurückzuversetzen und die Forderung nach dem Nachweis der Funktionsfähigkeit des digitalen Funknetzes durch einen Funktionstest der geforderten Art mit Angebotsabgabe, jedenfalls aber vor Zuschlag, aufzugeben, sowie den Bewerbern Gelegenheit zur Abgabe eines Angebots unter entsprechend veränderten Bedingungen zu geben.

aa)

Gegen die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags spricht nicht, dass die Antragstellerin die am Nachmittag des 14.3.2012 zugegangene Bieterantwort der Antragsgegnerin erst mit Schreiben vom...

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