Leitsatz (amtlich)
Die Frage der Anrechnung nach RVG-VV-Vorbemerkung 3 Abs. 4 stellt sich nach wie vor nur dort, wo eine Geschäftsgebühr nach RVG-VV-Nr. 2300 bis 2303 angefallen ist. Dies ist ausgeschlossen, wenn die vorgerichtliche Tätigkeit als Beratungshilfe geleistet worden ist.
Normenkette
RVG-VV Vormerkung 3 Abs. 4; RVG §§ 15a, 55
Verfahrensgang
AG Neuss (Beschluss vom 28.07.2009; Aktenzeichen 46 F 24/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG Neuss - Familiengericht - vom 28.7.2009 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts S. werden in Abänderung des Festsetzungsbeschlusses vom 3.6.2009 die ihm aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 542,16 EUR festgesetzt.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerde des Antragstellers vom 7.8.2009 (Bl. 50 f. PKH-Heft) richtet sich gegen den Beschluss des AG Neuss - Familiengericht - vom 28.7.2009 (Bl. 43 f. PKH-Heft), durch den seine Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluss vom 3.6.2009 (Bl. 29 f. PKH-Heft) zurückgewiesen wurde. Der Antragsteller hatte sich insoweit gegen die Absetzung von 187,18 EUR gewandt.
Die Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG kraft ausdrücklicher Zulassung zulässig. Sie hat Erfolg und führt in Abänderung der Erinnerungsentscheidung des AG zur antragsgemäßen Festsetzung. Zu Recht wendet sich der Antragsteller gegen die vorgenommene Anrechnung einer hälftigen außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr i.H.v. 157,30 EUR zzgl. Umsatzsteuer.
Eine Anrechnung kann schon deshalb nicht erfolgen, weil die Voraussetzungen der Anrechnungsnorm des RVG-VV-Vorbem. 3 Abs. 4 nicht erfüllt sind. Danach findet eine Anrechnung auf die gerichtliche Verfahrensgebühr statt, wenn wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nr. 2300 bis 2303 entstanden ist. An dieser Voraussetzung hat sich auch durch die Neuregelung in § 15a und § 55 Abs. 5 Sätze 2 bis 4 RVG nichts geändert. Voraussetzung ist also der Anfall einer Geschäftsgebühr nach RVG-VV-Nr. 2300. Dies kann für den vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, weil davon auszugehen ist, dass der Antragsteller seine vorgerichtliche Tätigkeit als Beratungshilfe erbracht hat.
1. Zur Frage des Anfalls einer Geschäftsgebühr im Bereich der Beratungshilfe hat der Senat in seinem Beschluss vom 27.1.2009, I-10W 120/08 u.a. ausgeführt:
"Der Anfall einer Geschäftsgebühr nach RVG-VV-Nr. 2300 ist ausgeschlossen im Bereich der Beratungshilfe. Wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, unter denen Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, bereits zum Zeitpunkt der vorprozessualen Tätigkeit vorgelegen haben, hatte der Mandant einen Anspruch auf Beratungshilfe, § 1 Abs. 2 BerHG. Ist dem Mandanten ein Beratungshilfeschein erteilt worden, fällt lediglich eine Geschäftsgebühr nach RVG-VV-Nr. 2503 i.H.v. 70 EUR an, die im Innenverhältnis (im Verhältnis zum Gegner gilt § 9 BerHG) hälftig auf die Gebühren eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens anzurechnen sind (vgl. Abs. 2). Wird der Anwalt ohne Beratungshilfeschein tätig, obwohl der Mandant sich erkennbar nur im Rahmen der Beratungshilfe an ihn wendet, so steht dem Anwalt lediglich die Gebühr der RVG-VV-Nr. 2500 i.H.v. 10 EURzu, die nur der Mandant schuldet und die nicht anzurechnen ist; die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren nach RVG-VV-Nr. 2501 bis 2508 setzten die Erteilung eines Beratungshilfescheines voraus (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 18. Aufl., § 44 Rz. 3; Hartung/Römermann/Schons-Hartung, RVG, 2006, § 44 Rz. 50)."
Hieraus geht hervor, dass eine Beratungshilfe auch ohne Beratungshilfeschein erteilt werden kann, dann aber nur eine Gebühr nach RVG-VV-Nr. 2500 entsteht. Diese Gebühr ist weder von der Vorlage eines Berechtigungsscheins nach § 6 Abs. 1 BerHG noch überhaupt von einer vorangegangenen oder nachträglichen Antragstellung beim AG auf eine Beratungshilfe abhängig. Es reicht vielmehr aus, dass der Anwalt eine Beratungshilfe nach § 2 BerHG tatsächlich geleistet hat (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., RVG, VV 2500 Rz. 1). Die Gebühr des RVG-VV-Nr. 2500 kann dem Mandanten auch erlassen werden.
2. Der Antragsteller hat bereits im Festsetzungsverfahren mehrmals dargelegt, dass er seine vorgerichtliche Tätigkeit tatsächlich als Beratungshilfe i.S.d. § 2 BerHG erbracht hat. Auf Nachfrage der Rechtspflegerin hat er mit Schreiben vom 9.4.2009 erklärt, dass eine Geschäftsgebühr nicht entstanden sei, die außergerichtliche Tätigkeit sei im Wege der Beratungshilfe erbracht worden (Bl. 15 PKH-Heft). Mit Schreiben vom 5.5.2009 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass auf eine Abrechnung der Beratungshilfegebühren zugunsten der Staatskasse verzichtet worden sei (Bl. 17 PKH-Heft). Unter dem 15.5.2009 hat er darauf hingewiesen, dass ihm die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger und der gesetzlichen Vertreter ebenso bekannt ge...